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Mountain Madness

Wenn ich am 5. September um 14.50 Uhr die Moräne des Eigergletscher erreiche, ist es fast geschafft. Dann habe ich mit 2.205 Metern den höchsten Punkt beim Jungfrau-Marathon erreicht. Jetzt sind es es nur noch 1000 Meter bis ins Ziel! Aus Erfahrung weiß ich, dass der letzte Kilometer einer der schwersten ist. So nah am Ziel und doch kostet es noch einmal alles. Wenn ich auf der Kleinen Scheidegg durch das Ziel laufe, stecken 42.195 Kilometer und 1800 Höhenmeter in meinen Beinen. Von Interlaken über Lauterbrunnen, Wengen, Mettlenalp, Wixi, Eigergletscher bis zur Kleinen Scheidegg. Ich trage die Startnummer 3571 und bin fest entschlossen, sie bis ins Ziel zu tragen, das innerhalb 6 Stunden 30 Minuten erreicht sein muss. Schafft man das nicht, wird man disqualifiziert und  nicht gewertet.

Für diesen Lauf habe ich in den vergangenen Monaten trainiert. Neben normalen Laufeinheiten liegen Bergläufe von 24-27 Kilometer auf den 1.165 Meter hohen Hochblauen hinter mir. Gegen den Jungfrau Marathon sind das alles Spaziergänge. Das habe ich gestern festgestellt, als ich die Strecke von Lauterbrunnen auf die Kleine Scheidegg in zügigem Tempo wanderte. Ab Lauterbrunnen geht es in engen Serpentinen sehr steil nach Wengen hinauf. Beim Marathon stecken einem bereits 25 Kilometer in den Beinen. Ab der Skistation Wixi bis zur Moräne wird  es unglaublich steil. Ist die Moräne erreicht, dann weiß ich: Ich habe es geschafft! Das Ziel ist in greifbarer Nähe.

Viele halten mich wahrscheinlich für verrückt, einen Marathon zu laufen. Für viele sind 42,195 km Laufen kaum vorstellbar. Ein Marathon in den Bergen bedeutet nochmals eine ganz andere Anforderung als eine ebene Strecke.

Der Jungfrau-Marathon gilt als Europas schönster, aber auch schwerster Marathon.

Vor einigen Jahren habe ich in einem Schaufenster in Lauterbrunnen Fotos vom Jungfrau-Marathon gesehen. Daneben hing ein Finisher-Shirt. Es leuchtete mir in kraftvollem rot entgegen und ich dachte „Wow, eines Tages möchte ich auch so ein T-Shirt haben.“ Solche Shirts gibt es nicht zu kaufen. Die muss man sich erlaufen. Und jetzt, einige Jahre später, habe ich die Möglichkeit. Werde ich es schaffen? Ich weiß es nicht. Bei einem Marathon kann vieles schief gehen und es kommt auf die Tagesform an. Ich habe mir ein Mantra ausgewählt, ein Motto. Das hat mich auf meinen Läufen auf den Hochblauen begleitet und motiviert. Es steht im Philipper Brief, Kapitel 3 Vers 13: „Eines aber ist gewiss: Ich vergesse alles, was hinter mir liegt und konzentriere mich nur noch auf das vor mir liegende Ziel. Mit aller Kraft laufe ich darauf zu!“

Alles beginnt mit dem ersten Schritt. Beim Jungfrau Marathon ist das nicht anders. Jedes Ziel erreicht man in kleinen Schritten. Wichtig ist, im Schritt zu bleiben, nicht stoppen, nicht auf halber Strecke stehen bleiben, sondern weitergehen. Immer das Ziel vor Augen haben. Dann ist alles möglich.

Himmelblick


Als Kind bin ich sehr gerne im Gras gelegen und habe den Wolken zugesehen. Ich sah Drachen, Blumen, Bäume, Löwen, Hunde, große und kleine, liebe und zähnefletschende. In den Himmel zu gucken, das war nie langweilig. Ständig haben sich die Wolken verändert und meine Fantasie hat neue Fabelwesen erschaffen. Manchmal habe ich mir sogar Geschichten ausgedacht. Dann wurde der Himmel zu einem Buch und mit jeder Wolkenveränderung wurde ein neues Kapital aufgeschlagen.

Wenn ich heute in den Himmel schaue, sehe ich Wolken. Graue, dunkle, bedrohliche, liebliche Wolken. Ich sehe keine Fabelwesen mehr. Warum eigentlich? Habe ich keine Fantasie mehr? Wann habe ich mich das letzte Mal ins Gras gelegt und den Wolken nachgesehen? Es muss lange her sein, denn ich kann mich nicht daran erinnern.

Jetzt ist der Himmel grau und dunkel. In den Mittagsstunden gab es ein heftiges Gewitter. Heute morgen war ich Laufen. Es war richtig schwül. Der sonst kühle Wald fühlte sich tropisch an. Als dann heftiger Regen einsetzte, hörte man im Wald das Rauschen des Regens, der auf die Blätter traf. Es war, als liefe ich durch einen tropischen Regenwald. Regen ist etwas wunderbares. Es war so erfrischend, die Tropfen auf der Haut zu spüren. Elemente spüren! Leben spüren. Nach so einem Tagesstart fällt mir vieles leichter. Laufen ist Teil meines Lebens geworden. Oft kostet es mich Überwindung, mir morgens die Joggingschuhe zu schnüren. Doch bereut habe ich es noch nie. Es fängt immer mit dem ersten Schritt an. Der erste Schritt ist immer der schwerste. Danach geht es meist wie von selbst.

Drei Männer, drei Disziplinen – ein Ziel


Drei Männer, drei Disziplinen – ein Ziel: als Ironman das Ziel erreichen.
Heute Nachmittag fand das Fotoshooting auf der Dreiländerbrücke in Weil am Rhein statt. Als wir uns mitten im Shooting befanden, blitze es auf einmal. Ich dachte noch, der Blitz ist aber stark für die kleine Kamera – weil die Frau eines der Triathleten mit ihrer kleinen Digitalkamera ein Foto machte. Dann krachte es. Aber wie! Fast hätte ich meine Kamera fallen lassen. Der Blitz war echt! Und ging so ziemlich in unserer unmittelbaren Umgebung auf den Grund. Ich hatte erst vier Fotos gemacht, mich also nicht einmal warm „geschossen“. Dieses Foto war das erste in der ich die Triathleten ein bisschen posen ließ. Es war auch das letzte. Mit Blitzen sollten man nicht spaßen. Grade dann wenn man auf einer Brücke über dem Wasser steht.
Bei den angehenden Eisenmännern handelt es sich übrigens um Gastronomen!
UPDATE: Zum Artikel, der in der Badischen Zeitung erschienen ist, geht’s hier. Gleichzeitig ist der Artikel auch ein gutes Beispiel, wie grob fahrlässig die Redaktion mit Bildmaterial umgeht und eine Bildkomposition zerstört.

Regen

 

Lucke, Binzen, Samstagmorgen, kurz nach 9 Uhr

Du magst gar nicht aus dem Auto steigen. Der Scheibenwischer schiebt die Regentropfen beiseite und du wünscht, du wärst nicht aus dem Bett gestiegen. Aber jetzt bist du da und zurückfahren, nein, das willst du dir nicht eingestehen.

Es ist kalt und nass, deine ersten Schritte sind zaghaft. Der matschige Waldboden spritzt unter deinen Laufschuhen auf. Dann läufst du los. Regentropfen fallen auf dein Gesicht. Du siehst, wie die Tropfen an den braunen Blättern des vergangenen Jahres glitzern. Genauso wie auf deiner Regenjacke. Kleine schimmernde Perlen. Du hörst Vögel zwitschern. Denen ist es egal, dass es regnet. Du atmest frische Waldluft ein. Dann beginnst du sie zu spüren. Die Elemente. Luft, Wasser, Erde. Eine Dankbarkeit, ganz tief in dir, macht sich bemerkbar. Plötzlich ist dir der Regen egal. Du lebst, du spürst den Augenblick. Du bist lebendig und wach. Du siehst, wie die Nebelschwaden durch die Bäume ziehen. Rehe kreuzen den Waldweg. Du riechst den Duft des Waldes. Erdig, frisches Holz. Es riecht nach Leben. Und du bist mittendrin. Du begreifst, dass deine Zeit endlich ist. Und du bist dankbar für dein Leben. Für Freunde. Für Familie. Für die geniale Gegend, in der du lebst. Eine halbe Stunde draußen im Wald, im Regen und du kehrst reich beschenkt zum Auto zurück. Zurück in dein Leben, das so einzigartig und wunderbar ist.

Verlaufen

Heute ist es tatsächlich passiert: Wir haben uns auf unserem Montags-Morgen-Lauf verlaufen. Und das auf einer unserer Trainingsstrecken. Wie das? Um unsere 10 KM-Runde durch die Wolfsschlucht zu vervollständigen, legen wir immer eine rund 2 KM lange Schleife ein, bevor es in die Wolfsschlucht geht. Heute sind wir die Schleife einmal anders herum gelaufen – und irgendwie haben wir dabei die Abzweigung verpasst und schon war es passiert… Wenn man eine andere Perspektive einnimmt, kommt einem sogar das Vertraute fremd vor. Im Leben ist es doch genauso: Manchmal stehen wir vor einem schier unlösbaren Problem. Oft hilft ein kleiner Perspektivenwechsel und eine Lösung zeichnet sich ab. Manchmal kommt man auch auf einem fremden Weg ans Ziel. Wir hatten uns verlaufen, mussten uns neu orientieren, und haben dabei einen neuen Weg entdeckt, aus dem vielleicht eine neue Trainingsstrecke wird. 

Oktober

Der vergangene Monat rauschte an mir vorbei wie ein ICE, während ich an einem kleinen Dorfbahnhof stand. Oder saß ich im ICE und es war die Landschaft, die an mir vorbei rauschte? Der neue Monat begann mit fallenden Blättern und frischem Wind. Und zum ersten Mal fand unser Abendlauf in der Dunkelheit statt. Waldschatten. Konturen verschwimmen. Fledermäuse gleiten lautlos durchs Nachtdunkel. Und du, du wirst selbst Teil der Umgebung. Alles pulsiert, frische Luft durchströmt den Körper. Dunkle Wolken am Himmel, aus der Ferne erkennst du die Lichter des Stauwehrs. Die Wolkendecke schimmert rötlich, reflektiert die Lichter der Stadt. Du läufst, setzt einen Schritt vor den anderen. Im Dunkel erspürst du den Weg. Feldweg, Holzbrücke, Feldweg, Asphalt. Nach acht Kilometern am Ziel. Erfrischt. Erneuert. Die dunkle Jahreszeit beginnt. Ich freue mich drauf.