Regen

 

Lucke, Binzen, Samstagmorgen, kurz nach 9 Uhr

Du magst gar nicht aus dem Auto steigen. Der Scheibenwischer schiebt die Regentropfen beiseite und du wünscht, du wärst nicht aus dem Bett gestiegen. Aber jetzt bist du da und zurückfahren, nein, das willst du dir nicht eingestehen.

Es ist kalt und nass, deine ersten Schritte sind zaghaft. Der matschige Waldboden spritzt unter deinen Laufschuhen auf. Dann läufst du los. Regentropfen fallen auf dein Gesicht. Du siehst, wie die Tropfen an den braunen Blättern des vergangenen Jahres glitzern. Genauso wie auf deiner Regenjacke. Kleine schimmernde Perlen. Du hörst Vögel zwitschern. Denen ist es egal, dass es regnet. Du atmest frische Waldluft ein. Dann beginnst du sie zu spüren. Die Elemente. Luft, Wasser, Erde. Eine Dankbarkeit, ganz tief in dir, macht sich bemerkbar. Plötzlich ist dir der Regen egal. Du lebst, du spürst den Augenblick. Du bist lebendig und wach. Du siehst, wie die Nebelschwaden durch die Bäume ziehen. Rehe kreuzen den Waldweg. Du riechst den Duft des Waldes. Erdig, frisches Holz. Es riecht nach Leben. Und du bist mittendrin. Du begreifst, dass deine Zeit endlich ist. Und du bist dankbar für dein Leben. Für Freunde. Für Familie. Für die geniale Gegend, in der du lebst. Eine halbe Stunde draußen im Wald, im Regen und du kehrst reich beschenkt zum Auto zurück. Zurück in dein Leben, das so einzigartig und wunderbar ist.

Ein Gedanke zu „Regen“

  1. ….schön geschrieben. Manchmal schreit die Seele nach ihren Wurzeln und in der Schöpfung ist man ihnen am nächsten.

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