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Polar Bear Marathon 2012 Slideshow

Der erste Polar Bear Marathon in Churchill ist Geschichte. Was bleibt, ist die Geschichte. Eine großartige Story, die mit einer Vision angefangen hat.

Alles Wichtige im Leben entsteht durch Begegnung. Das ist eines meiner Zitate, die der Fotograf Rolf Frei im Bildband inslandgeschaut verwendete, an dem  ich mitarbeiten durfte. Meine erste Begegnung mit dem Fotografen Rolf Frei hatte ich im Alter von vier Jahren. Ich erinnere mich noch vage daran, wie er  mich zusammen mit meinem Vater und meiner Schwester in seinem Studio fotografierte. Ich durfte auf einem gelben Dreirad, das aussah wie ein Motorrad, durchs Studio flitzen. Nach meinem Fotografiestudium 1994 auf Hawaii klopfte ich bei meiner Praktikumssuche bei Rolf Frei an die Türe. Und im Mai 2007 begegneten wir uns auf dem Stübenwasen. Ich recherchierte für eine Geschichte über den Westweg, während Rolf Frei Kühe für seinen neusten Bildband fotografiert und es zu einer Zusammenarbeit am Bildband inslandgeschaut kam. An Zufälle glaube ich nicht. Aber daran, dass man im Leben Menschen begegnet, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. 

Churchill und der Polar Bear Marathon war ein sportliches Ereignis. Und es war doch so viel mehr als das.  Antarctic Mike  hat es in seinem Blog „Creating a chapter in people’s lives“ wunderbar beschrieben. Was mit einer verrückten Idee begann, nahm unter dem kanadischen Ultramarathonläufer Albert Martens Gestalt an. Albert motivierte zwölf Läufer aus den USA, Kanada und Deutschland, die diese Idee zum Leben erweckten. Und wer weiß, vielleicht gibt es 2013 bereits eine Neuauflage des Polar Bear Marathon. Churchill, die Helfer und Eisbärenbewacher in den Fahrzeugen, der Bürgermeister waren jedenfalls begeistert.

 

 

 

 

Churchill – der Tag nach dem Marathon

 

Der Morgen danach. Der kalte Nordwind der Hudson Bay küsst uns wach. Über Nacht sind die Temperaturen gefallen, die Wolken fortgezogen, neues Eis hat sich in der Hudson Bay geformt. Antarctic Mike frohlockte. Am liebsten wäre er gleich noch einmal losgelaufen. „That’s my kind of weather“ meinte er.

Ein paar Runden vor dem Hotel nur in Shorts taten es dann auch. Natürlich animierte er seinen Freund Albert dazu, mitzulaufen. Nebenbei bemerkt: Während der Aufnahme herrschen minus 17 Grad Celsius, Windchill-Faktor minus 30 Grad. Mittags wurden wir Zeuge eines „Bear-Lift“. Im Ort hatte sich herumgesprochen, dass ein Bär aus dem Polar Bear Jail, das hier politisch korrekt „Polar Bear Holding Facility“ heißt, ausgeflogen wird. Neben uns und unserem befreundeten Kamera-Team von Animal Planet aus England, reihte sich auch ein Bus von Great White Bear Tours. Und tatsächlich! Das Gatter wurde geöffnet, ein betäubter Eisbär auf einem Schlitten herausgezogen, in ein Netz verfrachtet und mit Hubschrauber abtransportiert. Eine irgendwie sehr traurige Sache, wenn man bedenkt, dass sich – so hörte ich – sich 14 Bären bereits seit fast vier Wochen in diesem Hangar befinden.

Da wollen wir uns doch lieber die Bären in Freiheit an der Hudson Bay ansehen.

Was für ein Tag im Gegensatz zu gestern. Die Sonne strahlt vom Himmel, doch die Temperaturen und der Wind lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Die Läufer waren froh, dass der Marathon nicht heute stattfand – dieser Wind wäre eine brutale Herausforderung geworden.

Und heute, einen Tag nach dem Polar Bear Marathon erlebten die Polar Bear Runners die Eisbären aus nächster Nähe. Mit diesen Bildern verabschiede ich mich aus dem Norden, denn morgen nachmittag heißt es, Leaving Churchill und es geht zurück nach Winnipeg. Was für ein Land, was für ein Ort, was für unglaubliche Menschen und Geschichten. Churchill bringt auf eine erstaunliche Art Leute zusammen und formt ein Band zwischen ihnen. Man kommt als Fremder und geht als Freund und hat viele neue Freunde hinzugewonnen. Churchill ist ein neues Kapitel in unserem Lebensbuch geworden. Ein Kapitel voller Abenteuer, Freundschaft, Ausdauer, Schmerz und Schönheit.

Churchill Polar Bear Marathon

 

Am 20. November 2012 schrieben 12 Läufer aus Kanada, USA, Deutschland Geschichte. Sie kamen nach Churchill, einem kleinen Ort hoch im Norden Kanadas an der Hudson Bay, um den ersten Polar Bear Marathon zu laufen. Hier ist ihre Geschichte. 

Churchill ist bekannt als „Polar Bear Capital of the World“ – als Eisbärenhauptstadt. Jedes Jahr zwischen Oktober und November kommen hunderte von Eisbären in die Nähe Churchills, um dort das Zufrieren der Bay abzuwarten. Denn kann können sie endlich aufs Eis und nach Robben jagen. Wenn sich die Eisbären in der Tundra um Churchill aufhalten, kommen Tausende von Touristen, um die Eisbären von „Tundra Buggies“, monströsen gepanzerten Bussen zu beobachten. Als die Läufer am 19. November eintreffen, ist die Eisbärensaison vorbei, die letzten Touristen reisen an diesem Tag nach Hause. Um halb acht macht sich die Gruppe auf den Weg vom Tundra Inn Hotel zu Gypsys Bakery, dem Start und Finish des Polar Bear Marathon.

Das Gruppenfoto kurz vor dem Start bei der Gypsys Bakery

Um 8.15 Uhr fällt der Startschuss – wie es sich für Churchill gehört – wird mit der Eisbärenpistole geschossen. Die Temperaturen sind auf milde minus 10 Grad angestiegen. Wenige Tage zuvor hatten wir Sturm und über minus 20 Grad, der Windchill-Faktor trieb die gefühlten Temperaturen auf minus 35 Grad!

Die Läufer starten in einen wunderschönen Churchill-Sonnenaufgang.

Dann beginnt der lange, einsame Weg auf der Rocket Launch Road entlang der Hudson Bay. Am Wegesrand stehen keine Zuschauer, die die Läufer anfeuern. Nirgends spielt Musik. Dafür erleben sie eine einzigartige Natur – und laufen mitten durch Eisbärengebiet. Und weil das sehr gefährlich ist, werden die Läufer von Begleitfahrzeugen eskortiert. Für die Churchiller gehört ein geladenes Gewehr genauso selbstverständlich ins Auto wie ein Verbandskasten.

Antarctic Mike (vorne) und Albert Martens, die beiden hatten die Idee, in Churchill einen Marathon zu laufen. Albert hat unendliche Stunden in die Organisation des Marathon gesteckt, am Abend vor dem Lauf war ihm die Erschöpfung deutlich anzusehen.

Die Spitzengruppe mit Eric, dem Mount Everest Bergsteiger, Gerry aus Steinbach und Arthur aus New Jersey

Eines der Begleitfahrzeuge, die während des gesamten Laufes in der Nähe der Läufer fuhren.

Trotz der recht milden Temperaturen von minus 13 Grad und lauem Südwind war der Lauf eine echte Herausforderung. Nicht auszudenken, wären die Temperaturen am 20.11.2011 wie sonst üblich bei minus 20, minus 25 Grad gelegen, dazu ein eiskalter Nordwind von der Hudson Bay.

Haben wir Eisbären gesehen? Nein. Aber wahrscheinlich haben die Eisbären uns gesehen. Unterwegs hielten einige Autos an, deren Fahrer  von Eisbären berichteten. Ein Bär wurde an der Hudson Bay gesichtet, einer beim Überqueren der Straße, zwei Bären wurden auf einem Grundstück in der Nähe der Straße gesehen und ein Einwohner, der außerhalb der Stadt lebt, berichtete mir über Facebook, dass er sogar einen Bären mit einem Schreckschuss vertreiben musste. Die Schüsse hat Gerry, der mit Eric und Arthur in der Spitzengruppe lief, gehört.

Diese drei hab ich unterwegs nur lachend erlebt. Unglaublich. Aber sie kommen ja auch aus Churchill und sind diese Temperaturen gewöhnt.

Albert freut sich über einen wohlverdienten Happen beim Kilometermarker 21

Da staunen die Touristen – statt Eisbären springen Läufer in der Tundra herum

Um 12.30 Uhr setzte heftiger Schneefall ein. Die Spitzengruppe kam nach rund 4 Stunden zurück ins Ziel nach Churchill. Hier kämpfen sich Holger und Christian, die beiden deutschen Läufer durch die Elemente. Holger berichtete, dass ihm die Kälte doch sehr zu schaffen mache. Auch Christian kam an den Punkt, bei ab dem er sich durchbeissen musste. Wir versuchten, sie mit flotter Country Musik aus unserem Auto aufzumuntern!

Albert und Antarctic Mike mit ihrer Crew – glücklich im Ziel

Alle Läufer haben das Ziel erreicht. Was für eine Leistung! Ein einsamer Lauf, den Elementen ausgesetzt, Kälte, Eis, Schnee, Eisbären. Ein unglaubliches Abenteuer. „Wir alle haben heute ein Kapitel in unser Lebensbuch geschrieben“, sagte Antarctic Mike nach dem Lauf. Ein Kapitel, das keiner mehr vergessen wird.

Und so sieht der kleine Zeh eines Mount Everest Bergsteiger aus, der seinen ersten Marathon gelaufen ist

Abends wurde gefeiert – mit einem wunderbaren Essen in Gypsys Bakery zu dem alle Läufer, Helfer und Familienangehörigen eingeladen waren. Jeder Läufer erhielt eine Urkunde und ein T-Shirt, die Läufer aus Churchill eine Medaille, die Läufer, die von auswärts kamen, erhielten einen aus Stein geschnitzten Eisbären. Alle Helfer bekamen ein gelbes Polar Bear T-Shirt. Anschließend fand im Kino des Gemeindegebäudes, der hier schlicht „The Complex“ genannt wird, eine fantastische Diapräsentation über Eisbären von Dennis Fast statt. Der Bürgermeister von Churchill, Mike Spence, bedankte sich bei den Läufern für das Kommen und Laufen des Marathons und überreichte ein Geschenk der Stadt an die Läufer.

Und irgendwie war allen klar – das war nicht das letzte Mal, dass in Churchill ein Eisbären-Marathon gelaufen wurde!

 

 

Polar Bear Marathon – Die Nacht davor

Mir fallen zwar gleich die Augen zu, und das, obwohl es erst kurz nach 21 Uhr ist, doch ich wollte noch ein Update zum Polar Bear Marathon schreiben, der morgen früh startet.

Die Läufer sind heute vormittag von Winnipeg nach Churchill geflogen. Wir sind im Tundra Inn einquartiert und wären die einzigen Gäste (die Polar Bear Season ist offiziell vorbei und heute flog die letzte Touristengruppe aus Churchill weg), allerdings sind im Norden die Flugplätze aufgrund schlechten Wetters geschlossen. Mit uns werden einige Arbeiter hier übernachten. Wir wurden vorgewarnt – es könnte laut werden.

Der Polar Bear Marathon startet vor Sonnenaufgang um 8 Uhr früh vor Gypsys Bakery. Um 8.17 Uhr klettert die Sonne über den Horizont.  Der Startschuss donnert aus einer Polar Bear Gun. Offiziell genehmigt und abgesegnet – man könnte sonst denken, es wäre ein Bär in der Stadt. Unter den Läufern sind Holger und Christian aus Deutschland. Holger ist Arzt und ein echter Laufveteran, 70 ! Jahre alt und topfit. Dann haben wir den Antarctic Mike, der bereits am Südpol einen Marathon gelaufen ist und dem es hier noch zu warm ist (warte ab, Mike, bis dir morgen der Nordwind von der Hudson Bay ins Gesicht bläst) und Eric Alexander, ein amerikanischer Bergsteiger, der seinen blinden Freund auf den Mt. Everest geführt hat. Eric läuft morgen seinen ersten Marathon. Dabei sind weitere Läufer aus Kanada und den USA und einige Locals aus Churchill. Als ich mit Holger und Christian heute nachmittag im „Traders Table“  war, unterhielten wir uns mit einem der Locals und erzählten ihm von dem Marathon. „That’s crazy“ meinte Alex de Vries, der in Churchill als Musher arbeitet. „Do you know your running in Polar Bear Country“. Er zog eine Karte hervor und zeigte uns die Strecke, die wir laufen und deutete mit seinem Finger rechts und links daneben. „That’s polar bear country right there“.

Beim Abendessen in Gypsys wurden letzte organisatorische Dinge besprochen. Albert, der Initiator des Polar Bear Marathon gab zu, dass er einige schlaflose Nächte hatte. Nicht nur die Organisation, auch die Kritik einiger Familienangehöriger machten ihm zu schaffen. Doch es ist nun soweit und es gibt kein zurück mehr. Morgen startet der einzigartige Polar Bear Marathon in Churchill!

Die Läufer werden in Gruppen laufen und jeweils ein Begleitfahrzeug bei sich haben mit Fahrer und Bear-Watcher. Im Fahrzeug befinden sich Kleidung, Essen und Trinken. Ein Media-Auto wird mich und Alberts Frau Edna befördern. Wir werden von Gruppe zu Gruppe fahren, um Fotos und Interviews zu machen und als Kommunikationsbindeglied zwischen den einzelnen Gruppen fungieren. Denn mit Handyempfang ist das nicht so einfach.

Wir rechnen damit, in 6-7 Stunden zurück in Churchill zu sein. Der Sonnenuntergang ist bereits um 15.47 Uhr – da bleibt nicht viel Zeit und in der Dämmerung oder im Dunkeln hier draußen unterwegs zu sein ist genauso gefährlich wie über die A 5 zu spazieren.

Die Wetteraussichten für morgen: Es wird mild sein! Die Temperaturen sind in den vergangenen 24 Stunden extrem nach oben geklettert. Für morgen sind Höchsttemperaturen von minus 10 Grad vorhergesagt, allerdings wird der Windchill sie auf gefühlte minus 25 Grad treiben. Gegen Mittag ist Schneefall angesagt. Allerdings kann das auch ganz anders kommen. Hier in Churchill gibt man nicht sehr viel auf den Wetterbericht. Weil es nämlich immer ganz anders kommt.

Soweit für heute Abend. Die Läufer sind bereits alle in ihren Zimmern verschwunden und bereiten ihre Ausrüstung für morgen vor. Es wird spannend werden. Und gefährlich! Das warme Wetter hat das Eis auf der Hudson Bay quasi über Nacht weggepustet. Das bedeutet, dass nun auch wieder mit Bären zu rechnen ist. Ich habe heute von einer Tundra Buggy Tour erfahren, die mehrere Eisbären gesichtet hat. Sie sind also noch da, irgendwo da draußen in der Tundra, genau dort, wo der Polar Bear Marathon morgen verläuft.

 

Das Licht der Arktis

Unser letzter Morgen auf der Seal River Lodge begann mit einem Sonnenaufgang wie nicht von dieser Welt. Die Hudson Bay war wolkenfrei, doch der Sturm hatte seine Kraft nicht verloren. Er fegte eisig über die Tundra, fegte den Schnee übers Eis und durch die Luft. Das Licht, das durch den aufgewirbelten Schnee reflektiert wurde, war unglaublich. Wenn man dieses Licht erlebt, vergisst man, dass der Wind die Temperatur auf minus 35 Grad treibt.

Wenn dann ein Eisbär auftaucht und von diesem wunderbaren Licht erleuchtet wird, dann ist das Glück perfekt! Was für ein Abenteuer. Da ist man den Elementen ausgesetzt und steht einem Eisbär gegenüber, der sich keine 15 Meter von einem entfernt befindet! Ohne Auto, ohne Zaun. Der Wind peitscht ins Gesicht, so dass ich mich manchmal fast nicht aufrecht halten konnte. Und was habe ich gebetet, dass meine Kameras durchhalten!

Dieses Licht wirkt so sanft und weich und wenn ich mir die Bilder ansehe, kann ich kaum glauben, dass es so eisig kalt war und der Sturm mich fast umgeblasen hat.

Und wer nicht in die Kälte wollte, bekam die Eisbären-Action von der Lodge aus mit.

Ich setzte mich lieber mit den Elementen auseinander um Bilder wie dieses zu bekommen.

Die folgenden Fotos zeigen, wie wir uns den Eisbären gegenüber verhalten haben. Der Bär nähert sich der Gruppe Fotografen.

Kommt der Eisbär näher, gibt man ihm den nötigen Raum und verlässt seine Zone. Wann das soweit ist, wird vom Guide angezeigt. Ganz wichtig: Wir bewegen uns langsam und keinesfalls hektisch oder schnell.

Der Eisbär hat seinen nötigen Raum erhalten – er fühlt sich nicht bedroht oder eingeengt. Und was macht er? Er hockt sich hin und guckt den Fotografen zu. Was aber, wenn der Bär nicht sitzen bleibt oder weitergeht, sondern auf uns zukommt? Diese Situation habe ich einige Male erlebt. In dem Fall rufen die Guides dem Bären laut zu. Reicht das nicht aus, wird etwas Krach gemacht, z.B. Steine aufeinander geschlagen. Das reichte aus und der Bär entfernte sich. Das klingt alles ziemlich verrückt und mancher Leser wird denken, dass das lebensgefährlich und leichtsinnig ist. Ich habe mich während der Zeit außerhalb der Lodge nie gefährdet gefühlt, auch dann nicht, als der Bär sehr nahe an uns vorbeigegangen ist. Ich vertraue den Guides von Churchill Wild, die seit über 40 Jahren Wildnistouren anbieten und zu den erfahrensten Veranstaltern im Norden zählen. Dank ihrer Erfahrung sind solche Exkursionen erst möglich. Fotografen aus aller Welt kommen zur Seal River Lodge um solche Fotos zu erhalten.

Und wie aus dem Nichts kam der kleine Fuchs, den ich einen Tag zuvor im Sturm zusammen mit dem Eisbären fotografierte.

Dann tauchte plötzlich ein zweiter Bär auf.

Wir waren natürlich alle gespannt, wie diese Begegnung verlaufen würde. Und natürlich hofften wir auf ein Geraufe der beiden Bären. Doch die checkten sich gegenseitig aus sicherer Entfernung aus.

Und beschlossen, sich in Ruhe zu lassen.

Dem Sturm sei Dank – haben wir all dies noch erleben dürfen. Denn aufgrund des Wetters konnte unser Flugzeug nicht kommen. Wir erhielten sozusagen einen Schlechtwetterbonus von einem halben Tag. Erst am späten Nachmittag konnte die neue Gruppe zur Seal River Lodge geflogen werden – und wir zurück nach Churchill. Und zwar mit Helikoptern, die direkt vor der Lodge landeten.

Rückblickend, jetzt in meinem Hotelzimmer im Iceberg Inn in Churchill kann ich nur staunen über das, was ich auf der Seal River Lodge erlebt habe. Es waren die spannendsten und unglaublichsten Tage meines Lebens als Fotografin. Und – das Fotografieren von Eisbären macht süchtig!

Gestern saß ich im Gypsys Bakery (The place to be in Churchill) und las in einem Buch von Norbert Rosing. Er beschreibt, wie er 1983 das erste Mal nach Churchill kam um Polarlichter zu fotografieren. Sein Film gefror und die Kamera quittierte den Dienst. Frustriert flog er mit dem nächsten Flieger wieder nach Hause. Fünf Jahre später kehrte er erneut nach Churchill zurück. Rosing war einer der ersten, der begann, Eisbären zu fotografieren. Unzählige Stunden hat er zugebracht mit Warten, zwischen absoluter Frustration und unglaublichen Glücksmomenten. Er schreibt in seinem Buch: „To capture a moment in the wild takes 1/250 of a second, to find the right place at the right time in the right light and with the right equipment can take weeks, even years in the case of some shots.“ 

Ich bin unendlich dankbar für die Zeit auf der Seal River Lodge. Ich erlebte Augenblicke des Frustes, als meine Kameras streikten und ich den Tränen nahe war vor lauter Verzweiflung. Doch ich erlebte auch diese Momente des Glücks, des Lichts und des Augenblicks, in denen alles zusammenkommt, diesen einen Moment , in den man auf den Auslöser drückt und einfach weiß, dass man etwas wunderbares festgehalten hat.

 

Sturm über der Arktis und Eisbärenyoga

Norbert Rosings Eisbärenfotos habe ich schon immer bewundert. Nie hätte ich mir erträumen können, eines Tages einmal selber Eisbären aus direkter Nähe zu fotografieren. An Tierfotografie war ich bislang nicht interessiert. Doch das Fotografieren von Eisbären auf der Seal River Lodge hat mich derart fasziniert, dass ich unbedingt wieder kommen möchte.

Gestern erhielt ich eine sehr nette E Mail eines Lesers, der meinte, dass nicht die Technik die Fotografin ausmacht, sondern die Fantasie, die Intuition, das Gefühl für den Moment. Das hat mich sehr gefreut. Während unseres letzten Tages auf der Lodge saß ich beim Mittagessen neben unserem Fotoguide Dennis Fast. Und über was reden Fotografen? Über ihre Kameraausrüstungen. Ich sagte zu Dennis, dass ich ja viel härter arbeiten müsse als er, um ein gutes Foto zu machen. „Du drückst auf den Auslöser und hast 8 Bilder in der Sekunde, da ist dann sicher eines dabei, das gut ist.“

Wirklich stolz bin ich auf das Bild mit dem Eisbär und dem Fuchs. Dieser wunderbare Augenblick hat tatsächlich niemand außer mir eingefangen.

Heute möchte ich nun ein wenig von unserem Tagesablauf auf der Seal River Lodge berichten.

Dieses Licht! Dieses wunderbare, einzigartige, sanfte Licht. Sobald die Sonne über den Horizont steigt, erwacht die Eiswüste zu neuem Leben. Die harsche Landschaft wird von sanften Morgenlicht wachgeküsst.

Unser Tag auf der Seal River Lodge beginnt um 7 Uhr mit einem leckeren Frühstück. Danach fertigmachen zum Ausgang.

Wenn bei Temperaturen von minus 22 Grad der Windchill Faktor hinzukommt, sinken die Temperaturen ganz schnell auf bis zu minus 30, minus 35 Grad. Und weil wir Fotografen uns nur wenig bewegen, die meiste Zeit stillstehen, ist die richtige Ausrüstung das allerwichtigste Werkzeug! Für die arktische Kälte wappnet man sich am besten mit dem Zwiebelschichtprinzip. Ich trage Merinounterwäsche von Icebreaker, zwei Smartwoolsocken, eine lange Smartwool-Hose, darüber meine Goretex-Laufhosen. Meine Oberbekleidung besteht aus zwei Merino-Shirts, eines kurzärmlig, eines langärmlig, darüber ein Fließ. Die obere Schicht besteht aus dem Polar-Anorak und Polarhose, die man in Churchill mieten kann. Als Schuhe haben sich meine Salomon Winterstiefel bewährt. Allerdings bekam ich bei längerem Stehen doch kalte Füße. Hier wären die arktiserprobten Baffin-Stiefel sicher besser gewesen. Meine Merino-Wollmütze, die Marmot Randonee Fäustlinge und meine Marmot Windproof Handschuhe, die ich zum Teil mit dünnen Merino-Handschuhen beim Fotografieren getragen haben, vervollständigen die Ausrüstung. Mein Gesicht schützte ich mit einem Buff Fließhalstuch und einem Goretex-Gesichtsschutz. Als Brillenträgerin war das mein großes Problem: Zog ich mir das Buff und den Gesichtsschutz über die Nase, war innerhalb weniger Sekunden die Brille beschlagen. Im schlimmsten Fall war sie sogar vereist. Kurzum, ich konnte die Eisbären nicht mehr von einem Schneehügel unterscheiden, vom Fotografieren mal ganz abgesehen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Nase offenzulassen. Was dann wiederum zur Frostbeule führte.

Ein Teil der Gruppe, der harte Kern, zog los, dem Eisbär auf der Spur. Für diejenigen, die zurück auf der Lodge blieben, war es nicht minder interessant. So war Christine die einzige aus unserer Gruppe, die einen Arctic Fox zu Gesicht bekam, der sich im Compound (eingezäunter Außenbereich) der Lodge herumtrieb.

Und ganz oft kamen die Bären bis zum Zaun, legten sich hin und ließen sich fotografieren.


Die Eisbären sehen ja immer ganz knuffig aus. Am liebsten möchte man sie streicheln, so süß wirken sie. Bis, ja bis sie dann ihre Zähne zeigen und einem bewusst machen, dass man da dem gefährlichsten Landraubtier der Erde gegenübersteht. Dass dieser Eisbär seine Zähne fletscht, ist übrigens kein aggressiver Ausdruck. Er kam einfach an den Zaun, um daran zu knabbern. Ich habe keinen der Bären uns gegenüber aggressiv erlebt.

 

Mittwoch fegte ein Sturm über die Tundra. Windchill-Faktor minus 30 Grad. Optimales Wetter, um Eisbären zu fotografieren! Auf dem Foto sieht man den kanadischen Fotografen Paul Lubitz und unser Churchill Wild Guide Tara. Was ich übrigens ganz toll an unserer Fotosafari fand: Wir waren eine bunt zusammengewürfelte Truppe von 16 Leuten. Darunter Profifotografen, ambitionierte Amateure und Natur- und Eisbärenliebhaber. Es war ein gutes Miteinander. Die Profis waren sich nicht zu schade, Tipps zu geben, auszuhelfen und es gab kein Gerangel um die besten Plätze.

Wir erlebten Eisbären-Yoga. Oder wie würdet ihr das bezeichnen?