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Postkarte aus Churchill Nr. 6

Auf dem Weg zu den „Flats“ bin ich diesem Eisbären begegnet. Nein, keinem lebenden, obwohl das ja gar nicht so abwegig ist in Churchill.

Churchill ist übrigens nicht nach dem englischen Premierminister Winston Churchill benannt, sondern nach John Churchill (einem Vorfahren von Sir W. Churchill), der im späten 17. Jahrhundert als Gouvaneur der Hudson Bay Company tätig war. Die ersten Europäer erreichten 1619 die Hudson Bay unter der Leitung des Dänen Jens Munk (nach dem eine Straße in Churchill benannt wurde). Sie mussten dort, wo sich heute die Stadt befindet, überwintern. Von seiner Mannschaft, die aus 64 Mitgliedern bestand, überlebten nur drei den furchtbar kalten Winter und kehrten unter abenteuerlichen Umständen wieder zurück nach Dänemark.

Postkarte aus Churchill Nr. 5

 
Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte, um dieses Bild zu beschreiben. Bedarf es einer Beschreibung? Ich glaube kaum. Vielleicht überkommt mich während der kurzen Wintertage die Inspiration und ich schreibe ein Gedicht über die Nordlichter. Für heute ist es die Postkarte Nr. 5 mit der ich das Licht, eingefangen über dem Himmel der Seal River Lodge, in die Welt entlasse.

Kelsey Eliasson und sein Polar Bear Alley Blog

Kelsey Eliasson mit seinen Hunden Moonunit und Milo vor seiner Cabin in Camp Nanuq

Churchill ist eines der interessantesten Orte in Kanada. Da liegt es auf der Hand, dass man interessante Leute trifft. Doug Webber von Webbers Lodges, den ich kurz vor meinem Abflug am Flughafen in Churchill kennenlernte, ist einer der erfahrensten Buschpiloten im Norden. Doug erzählte mir, dass Churchills Klima eine bestimmte Sorte von Menschen davon abhält, herzukommen. Wer in Churchill lebt, genießt  eine Freiheit, wie sie es in der heutigen Zeit nur noch selten gibt. Doch sie hat ihren Preis. Im Sommer sind das die Black Flies und die Moskitos, im Winter der harsche Nordwind und eisige Temperaturen. Wer keinen Charakter hat, hält so etwas nicht aus, sagt Doug Webber. Eigentlich hatte ich vor, Helen und Doug Webber zu besuchen und ein Interview mit ihnen über ihr Leben in Churchill zu führen. Sie gehörten zu den Pionieren und haben die Entwicklung des Ortes maßgeblich mitgeprägt. Leider wurde ich krank und lag zwei Tage mit Fieber im Zimmer meines Iceberg Inn.

Aber Churchill ist ja voll mit interessanten Menschen und so habe ich Kelsey Eliasson ausfindig gemacht. Kelsey Elisasson ist Autor, Künstler, Polar Bear Tourguide und Herausgeber des wohl interessantesten Blogs über Churchill und seine Eisbären: Polar Bear Alley.

Dank Polar Bear Alley war ich bereits vor meinem Abflug nach Churchill bestes über Wetterverhältnisse und die Eisbärensaison informiert. Der Blog ist so gut gemacht, dass ich unbedingt den Herausgeber treffen wollte. Erste Kontaktaufnahme fand über sein Blog, später kommunizierten wir über Facebook. Nach meiner Rückkehr von der Seal River Lodge  verabredeten wir uns. Das erste Treffen im „The Complex“ – der riesigen Gemeindehalle von Churchill scheiterte, was mich natürlich sehr enttäuschte. Ein zweites Treffen wurde in Gypys Bakery vereinbart. Kelsey war auf den ersten Blick zu erkennen: So stellt man sich einen kanadischen Trapper vor. Lange Haare, langer Bart, verwegen, und ja – gutaussehend ( :

Kelsey kam mit seiner Freundin Karine und nach einem kurzen Snack fuhren wir gemeinsam mit Kelseys Truck auf die Cabin nach Camp Nanuq, etwa 20 Kilometer außerhalb von Churchill. Die Fahrt war abenteuerlich. Denn um zu seiner Hütte zu gelangen fährt Kelsey über einen zugefrorenen See! Das hatte was von „Ice Road Truckers“ – noch nie bin ich mit einem Auto über einen gefrorenen See gefahren.  Camp Nanuq ist eine kleine Ansammlung von Hütten, die mehr oder weniger ganzjährig von einer Handvoll Leuten bewohnt wird. Einige davon sind laut Kelsey „ziemlich schräg“ drauf.

Kelsey (40) stammt aus Riverton, im Süden Manitobas. Die kleine Siedlung wurde von Isländischen Auswanderern gegründet und Kelsey ist stolz auf seine Isländischen Wurzeln. Isländern sagt man ja eine kreative Ader nach und Kelsey ist das beste Beispiel. In seiner kleinen Hütte am Rande eines Sees gibt es zwar kein fließend Wasser, dafür Strom und Internet (über die offene Leitung des Nachbarn). Hier entstehen nicht nur die neusten Nachrichten, die täglich während der Eisbärensaison auf Polar Bear Alley gepostet werden, sondern wunderschöne Acrylbilder von Eisbären.

Kelsey in seinem Atelier auf Camp Nanuq 

Kelsey ist ein Lebenskünstler und hat immer irgendwelche Projekte, an denen er arbeitet. Einige Jahre versuchte er sich als Herausgeber von Churchill’s erster Zeitung, der Hudson Bay Post – Churchill’s monthly newspaper published occasionally (als ich heute in meinen Unterlagen von Manitoba kramte, da zog ich doch tatsächlich eine Ausgabe der Hudson Bay Post von 2008 hervor) Leider musste er die Zeitung aufgrund finanzieller Probleme (welche Zeitung hat keine finanziellen Probleme?) einstellen. Nebenbei schrieb er das Buch „Polar Bears of Churchill“ und lebt heute von den Verkäufen seiner Bilder und den Einnahmen als Polar Bear Guide. Überwiegend sind das ausländische Film-Crews, die er während ihrer Dreharbeiten bewacht.

Kelsey kochte uns einen Kaffee (das Wasser muss umständlich aus einem See geholt werden) und dann erzählten Karine und er von ihrem Hüttenleben mit den beiden Hunden Moonunit und Milo.

Kelsey ist ein Bücherfreak und sehr belesen. Den Bücherstapel, den ihr in der linken Ecke sehen könnt, sind ausrangierte Bücher aus der öffentlichen Bibliothek in Churchill. Dank eines Gesetzes müssen alle Bücher, die länger als drei Jahre nicht mehr ausgeliehen wurden, ausgemistet werden. Deshalb befinden sich in der Bibliothek mehrere Regale mit den Schildern „Books for free“. Da gibt es natürlich eine Menge Groschenromane, aber beim genaueren Durchforsten finden sich echte Raritäten. Ich hatte das Pech, dass Kelsey einen Tag vor mir in der Bibliothek war und die interessantesten Bücher einheimste. Doch ich wurde fündig: Ein Buch über Yellowknife aus dem Jahre 1967! Das durfte ich mitnehmen, obwohl ich kein Bürger der Stadt Churchill bin. Die Bibliothekarin meinte, dass man eine Spende geben kann, was ich gerne tat.

Da habe ich doch glatt eine Rarität in meinem Archiv aufgefunden: Eine Ausgabe der Hudson Bay Post vom Sommer 2008. Schade, dass es die Zeitung nicht mehr gibt. 

Kelsey erzählte mir von seinen zahlreichen Eisbären-Stories (die er demnächst in einem neuen Buch herausgeben möchte) und zeigte mir eine zersplitterte Schranktüre. „Wenn die Bären irgendwo hineinwollen und dabei nicht gestört werden, du kannst drauf Gift nehmen, dass sie es schaffen.“ Trotz Nagelbretter hatte es einer der weißen Riesen tatsächlich geschafft, während Kelseys Abwesenheit, in die Hütte zu kommen. „Der hat einfach das Nagelbrett abgerissen und ist durchs Fenster rein.“

Während die Küche aussah wie nach einem Bombenangriff, blieb das Wohnzimmer intakt.

Auch Karine erzählte mir eine Eisbärenstory. Eines Tages, sie steht in der Küche am Herd, sieht sie plötzlich einen Schatten am Fenster. Als sie aufblickt, starrt sie in das Gesicht eines Eisbären. Während sie noch immer vor Schreck unbeweglich am Herd steht, rennt Kelsey mit der Schrotflinte zur Tür und vertreibt den Bären.

Deshalb schläft Kelsey immer mit der Schrotflinte neben dem Bett, ist aber viel entspannter geworden, was die Eisbären betrifft.

„Der beste Schutz sind Hunde, die Bären hassen.“ Den Husky Moonunit und den Eskimo-Husky (eine vor dem Aussterben bedrohte Hundeart) Milo hat er deshalb darauf abgerichtet, Bären zu vertreiben.

Einmal wurde es etwas brenzlig und Kelsey musste einen Eisbären in die Pfote schießen, um ihn davon abzuhalten, seine Hütte dem Erdboden gleichzumachen.  Sein aktueller Bärenschutz besteht aus einer alten Couch und einem Stapel Holz vor der Hütte. Aber: „Bären haben die Angewohnheit dann aufzutauchen, wenn du sie am wenigsten erwartest.“

Eines der bekanntesten Eisbärenbilder von Kelsey Eliasson. Das Original kann in Gypsys Bakery bewundert werden. Dort gibt es auch Nachdrucke zu kaufen. 

Auf Camp Nanuq ist dieser Tage sehr einsam. Kelsey und Karine weilen in wärmeren Gefilden und verbringen nach ihrer Rückkehr nach Kanada den Winter an ihrem zweiten Wohnsitz in einer Hütte im Yukon.Angeblich ist es dort wärmer, behauptet Kelsey. Rechtzeitig zum  Sommer, wenn die ersten Eisbären der Hudson Bay zurück an Land kommen, wird Kelsey wieder von Camp Nanuq aus in seinem Polar Bear Alley Blog über die Eisbären von Churchill berichten.

 

Postkarte aus Churchill Nr. 4

In Neuseeland gibt es Warnschilder für Pinguine, hierzuland wird vor Rindviechern gewarnt, aber ein Straßenschild, das vor Eisbären warnt, das habe ich bislang noch nicht gesehen. So was gibt es halt nur in Churchill, Mantioba, Kanada. Wer mich eines besseren belehren kann – bitte den entsprechenden Link in den Kommentaren angeben. Und gerne auch weitere kuriose Straßenschilder verlinken.