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Postkarte aus Churchill Nr. 2

Northern Comfort – nimm Platz in Churchill

Auf der anderen Seite der Bahngleise, direkt am Ufer der Hudon Bay liegen die Flats. Eine kleine Siedlung aus urigen Hütten. Dort leben die Menschen noch ohne fließend Wasser. Es war mein dritter Besuch in den vergangenen zehn Jahren in den Flats. Dieses Haus sieht noch immer so aus wie vor zehn Jahren. Doch eines war sehr auffällig. Mitten in den Flats steht ein, nun, für Churchiller Verhältnisse würde ich mal sagen eine Villa. Ein riesig großes Haus. Wie ich erfuhr, gehört es dem Bürgermeister. Und es hat einen Wasseranschluss. Nachdem nun der Bürgermeister sein Haus in die Flats gesetzt hat, dachten viele der Bewohner, dass sie nun wohl auch einen Wasseranschluss bekämen. Jedenfalls, so wurde mir berichtet, gab es einen regelrechten Ausverkauf von Waschbecken und Toiletten. Ob diese bereits in Betrieb sind, habe ich nicht erfahren.

Postkarte aus Churchill Nr. 1

Die Eisbären sind längst auf das Eis der Hudson Bay gezogen um endlich Robben zu jagen und ihre aufgebrauchten Reserven aufzustocken. Churchill ist in seinen alljährlichen Dornröschenschlaf gefallen. Das beliebte Gypsys Bakery Restaurant, sozusagen die gute Seele des Örtchens, hat geschlossen.

Ich bin wieder zurück in Deutschland und arbeite an meinen Reiseberichten über meine Zeit mit den Eisbären. So viele Fotos wie bei diesem Trip habe ich noch nie gemacht. Meine Festplatte ist voll und ich habe noch immer nicht alle Fotos bearbeitet und gesichtet. In den kommenden Tagen poste ich Postkarten mit neuen Eisbärenfotos und Impressionen aus Churchill. Apropos Postkarte: Das Postamt von Churchill hat einen schönen Stempel mit einem Eisbär drauf. Es ist ein beliebtes Souvenir und auch ich habe meinen Reisepass stempeln lassen. Zuvor wird man darauf hingewiesen, dass das Postamt von Churchill keine Verantwortung übernimmt, wenn damit der Pass ungültig wird. Nun, bisher habe ich noch keine Probleme damit gehabt, mein Pass ist voll mit kuriosen Erinnerungsstempeln von irgendwelchen Orten im hohen Norden (z.B. ein Huhn für den Ort Chicken Alaska).

Wer nach dem Besuch meines Blogs Lust bekommen hat, Churchill und die Eisbären einmal selber zu erleben, dem rate ich, baldmöglichst zu buchen, um einen der begehrten Plätze für die Eisbärensafaris im Herbst/Winter 2013 zu ergattern. Leider ist eine individuelle Buchung fast so gut wie unmöglich, da die großen Reiseveranstalter der Tundrabuggy Touren Frontiers North und Great White Bear Tours  bereits große Kontingente in den Hotels vorbuchen. Sehr gut gefallen hat es mir im Iceberg Inn bei Dick Hunter. Leider wird Dick das Hotel verkaufen, weil er sich endlich einmal um seine acht Enkelkinder kümmern möchte. Ich hoffe, dass der Nachfolger ein ebenso toller Gastgeber ist, wie es Dick für mich war.

Wer das Abenteuer seines Lebens erleben möchte ist bei Churchill Wild an der richtigen Adresse. Es gibt keinen Veranstalter mit mehr Erfahrung. Seit über 40 Jahren führt das Familienunternehmen Lodges in entlegenen Gegenden rund um Churchill. Mike und Jeanne Reimer sind die besten Gastgeber, die ich kenne. Jeanne stammt aus Churchill, ist ein Kind des hohen Nordens. Die Vorfahren ihrer Eltern kamen aus Island und waren eine der ersten, die sich in Churchill niederliessen und Handel mit den dort lebenden Inuit betrieben. Diese Familie lebt und atmet die Arktis.

Auf der Seal River Lodge bieten sie ihren Gästen das einmalige Erlebnis, den Eisbären zu Fuß ganz nahe zu kommen. Für Naturfreunde, Hobbyfotografen und Profifotografen bietet Seal River jeden Komfort und die besten Voraussetzungen, unglaubliche Eisbärenfotos aufzunehmen. Die Fotografen Dennis Fast , Robert Postma und Charles Glatzer waren diesen Winter auf der Seal River Lodge und haben erstaunliche Fotos aufgenommen.

Auf der Website von Churchill Wild und ihrem Blog finden sich jede Menge Features, Fotos, Videos und Geschichten.

Wer sich über Manitoba erkundigen möchte, dem empfehle ich die Website von TravelManitoba, die es auch auf Deutsch gibt.

Gerne beantworte ich auch Fragen zu Churchill und meinen Erfahrungen. Einfach einen Kommentar hinterlassen. Das war’s für heute. Morgen folgt eine weitere Postkarte aus Churchill. Also gerne wieder vorbeikommen.

Polar Bear Marathon 2012 Slideshow

Der erste Polar Bear Marathon in Churchill ist Geschichte. Was bleibt, ist die Geschichte. Eine großartige Story, die mit einer Vision angefangen hat.

Alles Wichtige im Leben entsteht durch Begegnung. Das ist eines meiner Zitate, die der Fotograf Rolf Frei im Bildband inslandgeschaut verwendete, an dem  ich mitarbeiten durfte. Meine erste Begegnung mit dem Fotografen Rolf Frei hatte ich im Alter von vier Jahren. Ich erinnere mich noch vage daran, wie er  mich zusammen mit meinem Vater und meiner Schwester in seinem Studio fotografierte. Ich durfte auf einem gelben Dreirad, das aussah wie ein Motorrad, durchs Studio flitzen. Nach meinem Fotografiestudium 1994 auf Hawaii klopfte ich bei meiner Praktikumssuche bei Rolf Frei an die Türe. Und im Mai 2007 begegneten wir uns auf dem Stübenwasen. Ich recherchierte für eine Geschichte über den Westweg, während Rolf Frei Kühe für seinen neusten Bildband fotografiert und es zu einer Zusammenarbeit am Bildband inslandgeschaut kam. An Zufälle glaube ich nicht. Aber daran, dass man im Leben Menschen begegnet, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. 

Churchill und der Polar Bear Marathon war ein sportliches Ereignis. Und es war doch so viel mehr als das.  Antarctic Mike  hat es in seinem Blog „Creating a chapter in people’s lives“ wunderbar beschrieben. Was mit einer verrückten Idee begann, nahm unter dem kanadischen Ultramarathonläufer Albert Martens Gestalt an. Albert motivierte zwölf Läufer aus den USA, Kanada und Deutschland, die diese Idee zum Leben erweckten. Und wer weiß, vielleicht gibt es 2013 bereits eine Neuauflage des Polar Bear Marathon. Churchill, die Helfer und Eisbärenbewacher in den Fahrzeugen, der Bürgermeister waren jedenfalls begeistert.

 

 

 

 

Churchill – der Tag nach dem Marathon

 

Der Morgen danach. Der kalte Nordwind der Hudson Bay küsst uns wach. Über Nacht sind die Temperaturen gefallen, die Wolken fortgezogen, neues Eis hat sich in der Hudson Bay geformt. Antarctic Mike frohlockte. Am liebsten wäre er gleich noch einmal losgelaufen. „That’s my kind of weather“ meinte er.

Ein paar Runden vor dem Hotel nur in Shorts taten es dann auch. Natürlich animierte er seinen Freund Albert dazu, mitzulaufen. Nebenbei bemerkt: Während der Aufnahme herrschen minus 17 Grad Celsius, Windchill-Faktor minus 30 Grad. Mittags wurden wir Zeuge eines „Bear-Lift“. Im Ort hatte sich herumgesprochen, dass ein Bär aus dem Polar Bear Jail, das hier politisch korrekt „Polar Bear Holding Facility“ heißt, ausgeflogen wird. Neben uns und unserem befreundeten Kamera-Team von Animal Planet aus England, reihte sich auch ein Bus von Great White Bear Tours. Und tatsächlich! Das Gatter wurde geöffnet, ein betäubter Eisbär auf einem Schlitten herausgezogen, in ein Netz verfrachtet und mit Hubschrauber abtransportiert. Eine irgendwie sehr traurige Sache, wenn man bedenkt, dass sich – so hörte ich – sich 14 Bären bereits seit fast vier Wochen in diesem Hangar befinden.

Da wollen wir uns doch lieber die Bären in Freiheit an der Hudson Bay ansehen.

Was für ein Tag im Gegensatz zu gestern. Die Sonne strahlt vom Himmel, doch die Temperaturen und der Wind lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Die Läufer waren froh, dass der Marathon nicht heute stattfand – dieser Wind wäre eine brutale Herausforderung geworden.

Und heute, einen Tag nach dem Polar Bear Marathon erlebten die Polar Bear Runners die Eisbären aus nächster Nähe. Mit diesen Bildern verabschiede ich mich aus dem Norden, denn morgen nachmittag heißt es, Leaving Churchill und es geht zurück nach Winnipeg. Was für ein Land, was für ein Ort, was für unglaubliche Menschen und Geschichten. Churchill bringt auf eine erstaunliche Art Leute zusammen und formt ein Band zwischen ihnen. Man kommt als Fremder und geht als Freund und hat viele neue Freunde hinzugewonnen. Churchill ist ein neues Kapitel in unserem Lebensbuch geworden. Ein Kapitel voller Abenteuer, Freundschaft, Ausdauer, Schmerz und Schönheit.

Churchill Polar Bear Marathon

 

Am 20. November 2012 schrieben 12 Läufer aus Kanada, USA, Deutschland Geschichte. Sie kamen nach Churchill, einem kleinen Ort hoch im Norden Kanadas an der Hudson Bay, um den ersten Polar Bear Marathon zu laufen. Hier ist ihre Geschichte. 

Churchill ist bekannt als „Polar Bear Capital of the World“ – als Eisbärenhauptstadt. Jedes Jahr zwischen Oktober und November kommen hunderte von Eisbären in die Nähe Churchills, um dort das Zufrieren der Bay abzuwarten. Denn kann können sie endlich aufs Eis und nach Robben jagen. Wenn sich die Eisbären in der Tundra um Churchill aufhalten, kommen Tausende von Touristen, um die Eisbären von „Tundra Buggies“, monströsen gepanzerten Bussen zu beobachten. Als die Läufer am 19. November eintreffen, ist die Eisbärensaison vorbei, die letzten Touristen reisen an diesem Tag nach Hause. Um halb acht macht sich die Gruppe auf den Weg vom Tundra Inn Hotel zu Gypsys Bakery, dem Start und Finish des Polar Bear Marathon.

Das Gruppenfoto kurz vor dem Start bei der Gypsys Bakery

Um 8.15 Uhr fällt der Startschuss – wie es sich für Churchill gehört – wird mit der Eisbärenpistole geschossen. Die Temperaturen sind auf milde minus 10 Grad angestiegen. Wenige Tage zuvor hatten wir Sturm und über minus 20 Grad, der Windchill-Faktor trieb die gefühlten Temperaturen auf minus 35 Grad!

Die Läufer starten in einen wunderschönen Churchill-Sonnenaufgang.

Dann beginnt der lange, einsame Weg auf der Rocket Launch Road entlang der Hudson Bay. Am Wegesrand stehen keine Zuschauer, die die Läufer anfeuern. Nirgends spielt Musik. Dafür erleben sie eine einzigartige Natur – und laufen mitten durch Eisbärengebiet. Und weil das sehr gefährlich ist, werden die Läufer von Begleitfahrzeugen eskortiert. Für die Churchiller gehört ein geladenes Gewehr genauso selbstverständlich ins Auto wie ein Verbandskasten.

Antarctic Mike (vorne) und Albert Martens, die beiden hatten die Idee, in Churchill einen Marathon zu laufen. Albert hat unendliche Stunden in die Organisation des Marathon gesteckt, am Abend vor dem Lauf war ihm die Erschöpfung deutlich anzusehen.

Die Spitzengruppe mit Eric, dem Mount Everest Bergsteiger, Gerry aus Steinbach und Arthur aus New Jersey

Eines der Begleitfahrzeuge, die während des gesamten Laufes in der Nähe der Läufer fuhren.

Trotz der recht milden Temperaturen von minus 13 Grad und lauem Südwind war der Lauf eine echte Herausforderung. Nicht auszudenken, wären die Temperaturen am 20.11.2011 wie sonst üblich bei minus 20, minus 25 Grad gelegen, dazu ein eiskalter Nordwind von der Hudson Bay.

Haben wir Eisbären gesehen? Nein. Aber wahrscheinlich haben die Eisbären uns gesehen. Unterwegs hielten einige Autos an, deren Fahrer  von Eisbären berichteten. Ein Bär wurde an der Hudson Bay gesichtet, einer beim Überqueren der Straße, zwei Bären wurden auf einem Grundstück in der Nähe der Straße gesehen und ein Einwohner, der außerhalb der Stadt lebt, berichtete mir über Facebook, dass er sogar einen Bären mit einem Schreckschuss vertreiben musste. Die Schüsse hat Gerry, der mit Eric und Arthur in der Spitzengruppe lief, gehört.

Diese drei hab ich unterwegs nur lachend erlebt. Unglaublich. Aber sie kommen ja auch aus Churchill und sind diese Temperaturen gewöhnt.

Albert freut sich über einen wohlverdienten Happen beim Kilometermarker 21

Da staunen die Touristen – statt Eisbären springen Läufer in der Tundra herum

Um 12.30 Uhr setzte heftiger Schneefall ein. Die Spitzengruppe kam nach rund 4 Stunden zurück ins Ziel nach Churchill. Hier kämpfen sich Holger und Christian, die beiden deutschen Läufer durch die Elemente. Holger berichtete, dass ihm die Kälte doch sehr zu schaffen mache. Auch Christian kam an den Punkt, bei ab dem er sich durchbeissen musste. Wir versuchten, sie mit flotter Country Musik aus unserem Auto aufzumuntern!

Albert und Antarctic Mike mit ihrer Crew – glücklich im Ziel

Alle Läufer haben das Ziel erreicht. Was für eine Leistung! Ein einsamer Lauf, den Elementen ausgesetzt, Kälte, Eis, Schnee, Eisbären. Ein unglaubliches Abenteuer. „Wir alle haben heute ein Kapitel in unser Lebensbuch geschrieben“, sagte Antarctic Mike nach dem Lauf. Ein Kapitel, das keiner mehr vergessen wird.

Und so sieht der kleine Zeh eines Mount Everest Bergsteiger aus, der seinen ersten Marathon gelaufen ist

Abends wurde gefeiert – mit einem wunderbaren Essen in Gypsys Bakery zu dem alle Läufer, Helfer und Familienangehörigen eingeladen waren. Jeder Läufer erhielt eine Urkunde und ein T-Shirt, die Läufer aus Churchill eine Medaille, die Läufer, die von auswärts kamen, erhielten einen aus Stein geschnitzten Eisbären. Alle Helfer bekamen ein gelbes Polar Bear T-Shirt. Anschließend fand im Kino des Gemeindegebäudes, der hier schlicht „The Complex“ genannt wird, eine fantastische Diapräsentation über Eisbären von Dennis Fast statt. Der Bürgermeister von Churchill, Mike Spence, bedankte sich bei den Läufern für das Kommen und Laufen des Marathons und überreichte ein Geschenk der Stadt an die Läufer.

Und irgendwie war allen klar – das war nicht das letzte Mal, dass in Churchill ein Eisbären-Marathon gelaufen wurde!