Gefährliche Begierde: Stephen King Finderlohn

Kennt ihr das – ihr lest ein Buch und die Story nimmt euch so gefangen, dass ihr in der Hälfte der Geschichte mit Schrecken daran denkt, dass das Buch bald zu Ende ist? Wann habt ihr das letze Mal ein Buch ins Regal gestellt, das eine schreckliche Leere hinterlässt, wenn es ausgelesen ist? Im neuen Roman „Finderlohn“ von Stephen King dreht sich alles um die Lust am Lesen. Und was passiert, wenn die Lust zur fanatischen Begierde ausartet.

Um an die nie veröffentlichten Manuskripte seines Lieblingsautors zu gelangen, geht der Protagonist des Romans, Morris Bellamy, über Leichen. Als erstes muss sein Lieblingsautor dran glauben.

Stephen King webt um die fanatische Gier eines Lesers eine geniale Geschichte. Sie beginnt 1978 mit dem Mord am Bestsellerautor Rothstein. King zieht seine Leser in die düstere Welt seines Protagonisten, Morris Bellamy, der sich mit der Romanfigur Jimmy Gold identifiziert. Jimmy Gold verkörpert für Morris all das, was er nie sein wird. Doch das letzte Buch macht Morris wütend.

Rothstein hat seinen Helden Jimmy Gold zu einem Normalbürger verkommen lassen. Für Morris Bellamy ein unverzeihlicher Verrat an seinem Helden Jimmy Gold. Doch es gibt Gerüchte, dass Rothstein Fortsetzungen geschrieben hat, sie aber nie veröffentlichen will. Bellamy bringt den Autor um und bemächtigt sich der handgeschriebenen Notizbücher mit den Fortsetzungen der Romane. Er steckt sie in einen Koffer und vergräbt ihn. Bevor er die Notizbücher lesen kann, landet Morris Bellamy wegen einer anderen Sache im Gefängnis. 35 Jahre sitzt Bellamy. Als er entlassen wird, ist er weit über 50. Jetzt will er seinen Schatz holen. Der vergrabene Koffer liegt an Ort und Stelle. Doch von den Notizbüchern fehlt jede Spur!

Jeder Erzählstrang, und sei er zunächst nur rein zufällig, webt Stephen King geschickt in den Flickenteppich der Story ein, die nach und nach ihr schauriges Bild entfaltet und schonungslos auf ihren Höhepunkt zusteuert.

Mit Finderlohn beweist Stephen King seine Größe als Erzähler. Schonungslos dringt King bis in die tiefen Schichten seiner Figuren vor und legt deren Psyche schonungslos offen. Er schreibt „frei Schnauze“, seine Sätze wirken wie lässig dahin geworfen, wohl das beste Indiz, dass dahinter harte Arbeit steckt. King hat mir die Lust am Lesen zurückgegeben. Er versteht sein Handwerk wie ein Sterne-Koch, der seinen Gästen einen exzellenten Gaumenschmaus zubereitet. Jede Figur, die Guten und die Bösen, werden mit atmosphärischer Dichte beschrieben. Der Leser spürt, King liebt jede seiner Figuren. Statt platter Klischees beschreibt Stephen King seine Protagonisten und Nebendarsteller mit wortgewaltiger Kraft.
Ein Beispiel gefällig?

„Cora Ann Hoopers Wangen hingen wie fleischige Pfannkuchen an den Seiten des Halses herab, die Augen waren praktisch zur Gänze in Taschen aus Fett vergraben, und die Haut war fahl.“

Mit Finderlohn hat Stephen King ein Meisterwerk übers Schreiben geschaffen. Ein Roman über die Lust am Lesen, die im Wahnsinn endet.

„Eine der beglückensden Efahrungen, die man als Leser im Leben machte, war die , ein Leser zu sein – also nicht nur lesen zu können (was Morris bereits wusste), sondern in die Tätigkeit als solche vernarrt zu sein. Hoffnungslos. Hals über Kopf. Das erste Buch, das dies zustande brachte, vergaß man nie, und jede einzelne Seite schien eine neue Offenbarung mit sich zu bringen, eine, die brannte und begeisterte: Ja! Genauso ist es! Das habe ich auch erlebt! Und natürlich: Das ist es, was ich denke! Das ist es, was ich EMPFINDE!“
Auszug aus Stephen King, Finderlohn

Stephen King schafft etwas, was ich beim Lesen selten erlebe: Er bringt seinen Leser dazu, sich Hals über Kopf in die Story zu stürzen. Ist das Buch geöffnet, ist es zu spät: King hat sich mit telepathischen Mächten seines Lesers bemächtigt. Gut nur, dass es sich bei Finderlohn um den zweiten Band einer Trilogie handelt. Und ich nehme Stephen King beim Wort, der gesagt hat: „Ich schreibe so lange, wie der Leser davon überzeugt ist, in den Händen eines erstklassigen Wahnsinnigen zu sein.“
Sehr gerne, Mr. King, sehr gerne!

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