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Das große Eisbär-Abenteuer

Takkiwrites ist wieder live. Mit neuen spannenden Stories. In Kanada. Ab Samstag, 10. November 2012. Bei den Eisbären! 

Noch drei Tage. Dann sitze ich im Flieger der Air Canada nach Winnipeg, Manitoba, Kanada. Nach einer sehr kurzen Nacht fliege ich sonntagfrüh mit Calm Air weiter, 1800 Kilometer in den Norden, nach Churchill. Ein weiterer Flug mit einem Buschflugzeug bringt mich zur Seal River Lodge an der Hudson Bay. Für die nächsten fünf Tage wird Seal River meine Base für eines der unglaublichsten Abenteuer: Auge in Auge mit den Eisbären. Zu Fuß und ohne gepanzertes Fahrzeug werde ich Eisbären aus nächster Nähe fotografieren! In Eiseskälte. Schon jetzt sind Temperaturen von unter minus 19 Grad angesagt. Ich werde nervös. Habe ich wirklich genügend warme Sachen dabei? Halten die Marmot-Handschuhe meine Hände tatsächlich warm? Hätte ich lieber einen Daunenparka kaufen sollen? Ich vertraue meiner NorthFace Gore-Tex Jacke. Immerhin hat sie mich bereits zehn Jahre lang durch alle möglichen Abenteuer begleitet. Mit derselben Jacke war ich bei minus 33 Grad im Banff National Park in Alberta  Skilanglaufen und kam dabei mächtig ins Schwitzen.

Ich war in Berlin, als ich einen unerwarteten Anruf erhielt: Ich soll nach Kanada fliegen. Nach Churchill. Eisbären fotografieren. Im Oktober. In zwei Wochen! Also habe ich mir die Jacke in einem Outdoor-Laden besorgt und flog nach Kanada. Meinen ersten Eisbären habe ich bereits im Anflug nach Churchill gesehen. In Churchill gibt es keinen Handyempfang, dafür eine Landebahn fürs Space Shuttle. Aus meiner ersten Reise nach Churchill entstand eine meiner meist verkauften Reportagen. 10 Jahre ist das jetzt her. Seitdem bin ich weitere zwei Male zurück in die kanadische Arktis gekommen:

2008 schwamm ich im eisigen Wasser des Churchill Rivers mit Beluga-Walen

http://www.youtube.com/watch?v=DlmgrHKhwxI

und 2010 fotografierte ich aus nächster Nähe Eisbären während meines Aufenthaltes in der Nanuk Polar Bear Lodge.

Am Samstag erwartet mich ein weiteres Abenteuer im Norden Kanadas. Die Foto-Safari auf der Seal River Lodge ist das erste Highlight. Anschließend begleite und dokumentiere ich den Polar Bear Marathon. Ja, richtig gelesen! Eisbärenmarathon. 20 Elite-Läufer starten am 20. November zum wohl verrücktesten und verwegensten Rennen auf diesem Planeten: 50 Kilometer in eisiger Kälte, bei Temperaturen von bis zu Minus 40 Grad. Mitten durch Eisbärengebiet! Ein Lauf, der einzigartig ist. Den es in dieser Form noch nie gegeben hat. Doch den Läufern geht es nicht um Rekorde oder Bestzeiten. Sie laufen, um Spendengelder für die Arbeit von Athletes in Action zu sammeln. Das Geld kommt den First Nations People vom Stamm der Sayisi Dene First Nation Community in Tadoule Lake, ca. 250 Kilometer westlich von Churchill  zu Gute.

Albert Martens hat den Lauf organisiert und dazu eingeladen. Darunter sind Ultramarathon-Läufer aus Deutschland sowie “Antarctic Mike” Michael Pierce, der 2006 in der Antarktis einen Marathon lief. Extrembergsteiger Eric Alexander schaffte es mehrere Male auf den Mt. Everest und begleitete sogar seinen blinden Freund Erik Weihenmayers auf den Gipfel. Mit dem Eisbärenmarathon stellt er sich einer neuen Herausforderung.

“Das ist kein Rennen, sondern ein Erlebnis”, sagt Albert Martens. Die Idee für den „Polar Bear Marathon“ kam Albert Martens an einem sehr kalten Wintertag vor einem Jahr. Ausschlaggebend war sein Ziel, einmal im Leben die Distanz des Erdumfangs (40.074 km) zu Laufen. Um dieses Ziel zu feiern, nahm sich Martens einen kompletten Marathonlauf rund um seine Heimatstadt Steinbach (nähe Winnipeg im Süden Manitobas) in Kanada vor. Am 26. Februar 2011 war es soweit: Sein Schrittzähler sprang über die magische Grenze. In der Nacht zuvor fiel die Temperatur auf minus 32 Grad. Begleitet wurde er von „Antarctic Mike“ aus Kalifornien, der bereits mehrere Läufe in der Arktis erfolgreich absolvierte. „Mike schlug vor, einen weiteren Marathon in extremer Kälte zu Laufen und so wurde die Idee des Eisbärenmarathon geboren“, berichtet Albert Martens.

takkiwrites begleitet den Marathon als Journalistin und Fotografin und natürlich gibt es spannende Fotos, Videos und Berichte auf www.takkiwrites.com, Twitter @takkiwrites und auf facebook.

Hudson Bay

Hudson Bay

Dieses Foto symbolisiert für mich die unendliche Weite der Hudson Bay. Die Hudson Bay umfasst ein Gebiet von 1.230.000 Quadratkilometern und ist – nach dem Golf von Bengalen – die zweitgrößte Bay weltweit. Benannt wurde sie nach dem englischen Entdecker Henry Hudson, der die Bay 1610 mit seinem Schiff „Discovery“ erforschte. Auf seiner vierten Reise nach Nordamerika wählte Hudson die Route über die Westküste Grönlands zur Bay und erstellte erste Karten. Doch dann blieb die „Discovery“ im Eis stecken. Die Mannschaft musste überwintern. Dies gelang ihnen am südlichen Zipfel der James Bay. Im Juni 1611 wollte Hudson die Reise fortsetzen, doch ein Teil seiner Crew rebellierte. Hudson wurde mit einigen seiner Männer in einem kleinen Boot ausgesetzt. Sie wurden nie mehr wieder gesehen.

Guess who’s coming for dinner

Polar Bear at Nanuk
Der neugierige Bursche, der heute morgen vor meiner Hütte auftauchte, kam nachmittags wieder zurück.
Ich war mit Andi draußen in der windgepeitschten Tundra – Cranberries pflücken. Nie war Beeren sammeln spannender als heute! Der Wind pfiff uns um die Ohren, es regnete und war kalt – und – wir wussten, dass wir uns in Eisbärengebiet befinden. Eisbären fressen Beeren – und hier bin ich, mit der Nase am Boden, um die kleinen roten Cranberries von den Sträuchern zu klauben. Andi hatte sein Gewehr mit auf den ATV gepackt. Und plötzlich war er verschwunden – irgendwo in den Büschen. Was mache ich jetzt, wenn der Eisbär kommt? Gute Frage. Lieber nicht länger drüber nachdenken und mich aufs Cranberry-Suchen konzentrieren. Über Funk wurde uns mitgeteilt, dass sich ein Bär in der Nähe der Lodge aufhält. Keine Ahnung, wie lange wir da draußen waren, eineinhalb bis zwei Stunden. Jedenfalls waren meine Finger so steif gefroren, dass ich Mühe hatte, die Beeren von den Sträuchern zu pflücken. Kaum waren wir zurück in unserem eingezäunten Gebiet, kam auch schon der Bär. Tappte einfach aus dem Gebüsch heraus.
Polar Bear at Nanuk
Er schnüffelte am Zaun herum, setzte sich hin, legte sich auf den Boden, streckte alle Viere von sich.
Polar Bear at Nanuk
Rund zehn Minuten blieb er beim Zaun, dann machte er sich wieder vom Acker.
Mike gab uns eben Bescheid, dass der erste Flieger eben von Gillam Airport gestartet ist. An Bord befindet sich Fracht. Sollte er keine Probleme mit dem Hinflug und Landung haben, wird der zweite Flieger losgeschickt. Bis in zwei Stunden sollten hier also beide Flugzeuge angekommen sein und uns zurück nach Gillam bringen. Dort werden wir übernachten. Genial. Ich wollte schon immer mal nach Gillam! Ich hätte nichts gegen eine weitere Nacht auf der Lodge einzuwenden gehabt. Zumal die Aussichten, eine Stunde in einem kleinen Flieger bei stürmischen Wetter zu verbringen, nicht grade so doll sind.

Gefangen in der Wildnis

Butch und Gordi
Während der Nacht nahm der Sturm an Kraft zu, unsere Cabin wurde regelrecht durchgerüttelt und ich fragte mich allen ernstes, ob der Buffalo-Fence, der rund 2,5 Meter hohe Zaun, der die Nanuk Lodge umgibt, dem peitschenden arktischen Wind standhält.
Gegen halb acht blickte ich aus dem Fenster und traute meinen Augen kaum: Da tappte ein Eisbär vorbei. Er blieb stehen, direkt am Zaun vor meiner Cabin, schnupperte in die Luft. Jetzt stellt er sich gleich auf und testet den Zaun, dachte ich, während mein Pulsschlag merklich zunahm. Stattdessen hockte sich der Eisbär hin! Saß einfach nur da. Und ich stehe da, in meinen Pyjamas und habe meine Kamera in der Lodge gelassen! Ich fasse es nicht. Was habe ich daraus gelernt? Das nächste Mal mache ich es wie meine beiden Cree Guides – Gordi (links) und Butch (rechts). Die gehen nirgendwo hin ohne ihre Winchester. Gordi nennt seine liebevoll „Oncle Tom“. Die Rifles sehen aus, als hätten sie schon ihre Kugeln im ersten Weltkrieg verschossen. Butch sagt von seiner, dass sie noch immer „smooth as an arrow“ – gradlinig wie ein Pfeil – schießt.

Es stürmt noch immer sehr stark. Mike ist zuversichtlich, dass die Sturmfront bald abgezogen ist und der Flieger in Gillam starten kann. Ich habe da so meine Bedenken.
Polar Bear Watch
Vorgestern haben wir mit den ATVs – All Terrain Vehicles einen ganztägigen Ausflug unternommen. Wir haben zahlreiche Flüsse durchquert, sind etliche Male im Schlamm steckengeblieben. Schließlich haben wir sie gefunden – die Eisbären. Zehn Stück haben wir gesichtet. Andi, unser Guide führte uns langsam an sie heran. Zeigt der Bär kein Interesse und entfernt sich, ziehen auch wir uns wieder zurück. Ist er neugierig, lässt Andi ihn näherkommen – bis auf rund 20 Meter. Dann ruft er ihm zu – sagt ihm Sachen wie „Ok, Buddy, das ist jetzt nah genug, jetzt mach dich wieder vom Acker“. Beim ersten Bär, der uns so nahe gekommen ist, hat das auch gut funktioniert. Anders als bei dem großen Eisbär vorgestern.
Polar Bear Hudson Bay
Er streunte am Ufer der Hudson Bay herum. Plötzlich wurde er neugierig und innerhalb kürzester Zeit war er drüben bei uns.
Polar Bear Hudson Bay
Von einer Minute zur anderen hatte sich die Situation verändert. Von „Hoffentlich kommt der Bär näher, damit wir ein gutes Foto machen können“ zu „Wow, das ist jetzt ganz schön brenzlig“. Andi rief dem Bär zu, der ließ sich davon nicht irritieren. Und kam noch näher. Mein Herz schlug wie verrückt. Vor mir stand Andi, unser Guide, grade mal einen halben Kopf größer als ich, neben ihm Gordi. Butch startete sein ATV und fuhr rechts neben Andi. Selbst das Motorengeräusch beeindruckte den Eisbär nicht. Er schnupperte und kam noch näher. Jetzt zog Andi seinen Revolver und schoss. Es war ein so genannter „Screamer“ – eine Schreckschusspistole. Das und lautes Zurufen machte dem Bär dann klar, dass er uns zu nah gekommen war. Dann drehte er um und lief davon. Leute, ich sag euch, das war eine einzige aufregende Safari, die wir hier erlebt haben. Einem Eisbären in freier Wildbahn so nahe zu kommen – ohne den Schutz eines Tundra-Buggies oder Autos, das kann man nur auf der Nanuk Lodge erleben mit Churchill Wild erleben.

Ka Waa Me Tin

Polar Bear at Hudson Bay
Ka Waa Me Tin heißt soviel „Bis bald“ in Cree. In der Sprache der Cree gibt es kein Wort für Abschied. Wie treffend. Denn eigentlich will ich gar nicht mehr von Nanuk weg. Wir sitzen in der Main Lodge, im Kamin knackt das brennende Holz. Es regnet und windet sehr heftig. Ob die beiden Flugzeuge wohl zur Lodge fliegen können?
Momentan läuft hier alles auf Batterie, die Lichter sind abgeschaltet, die Satellitenverbindung bricht immer wieder ab.
Die Tage auf Nanuk waren ein einziges Erlebnis. Gestern haben wir 10 Eisbären gesichtet, einer davon kam uns SEHR nahe. Fotos und Bericht werden folgen, sobald ich wieder zurück in der Zivilisation bin.
UPDATE: Stuck in the wild
Wegen heftigen Regen und Sturm konnten die Flugzeuge in Gillam nicht starten. Hier stürmt es ebenfalls sehr heftig. Wir sind gefangen in der Wildnis und müssen abwarten, bis der Sturm sich legt. Konkret: Heute kommen wir nicht mehr weg. Morgen? Vielleicht. So ist das eben, wenn man wirklich in der Wildnis ist. Den Elementen ausgesetzt.
UPDATE 2: Eben höre ich von Eleanor via facebook, dass es in Ilford schneit. Ilford ist nicht so weit weg von unserem Standort. Noch stürmt und regnet es wie verrückt und für morgen ist auch kein besseres Wetter angesagt.
Die Kanadier Mark und Rick spielen einen Mix von Heavy Metal und 80er Jahre Musik – erste Anwandlungen von Cabin Fever? Noch haben wir genügend Wein und Bier – und jetzt wird zum Abendessen gerufen. Stuck in the wild – eigentlich ne coole Sache.

Auge in Auge mit dem Eisbär

Night at Nanuk Lodge
Nachts auf der Nanuk Lodge. Weit weit weg von irgendeiner Zivilisation. Bis nach Gillam ist es eine Stunde – mit dem Flugzeug. Ich höre den Wind, wie er über die Tundra heult. Am Horizont zucken Blitze. Der Mond taucht die Landschaft in ein geisterhaftes Licht. Ich warte auf die Nordlichter. Doch dann zieht der Himmel zu.
Nanuk Lodge
Als ich mir um 7 Uhr meinen Kaffee in der Main Lodge einschenke, kommt Gordi, einer unserer Native Guides. Um 6 Uhr in der Frühe war ein Eisbär am Zaun. „Das nächste Mal musst du mich unbedingt wecken“, sage ich zu Gordi. Deswegen sind wir ja hier. Schlafen kann ich zu Hause wieder.
Ich klettere auf den Aussichtsposten. Kein Eisbär zu sehen. Nach dem Frühstück fahren wir mit den Allrad-Quads zur Hudson Bay. Eisbären sehen wir keine. Wir kehren zum Mittagessen zur Lodge zurück. Mit der Nachmittagsexkursion müssen wir warten, bis die Flut sich von der Hudson Bay zurückgezogen hat.
Ich packe das Fernglas und klettere wieder auf den Tower. Keine Minute später habe ich einen Eisbären im Visier.
Polar Bear at Nanuk
Auf den Quads fahren wir in die Nähe des Eisbäres und gehen zu Fuß langsam weiter. Unser Guide Andy führt uns Schritt für Schritt näher an den Eisbär. Er soll sich an uns gewöhnen und erkennen, dass wir keine Gefahr darstellen. Noch ist der Eisbär rund 80 Meter von uns entfernt. Dann kommt er langsam näher. Er stoppt, schnuppert, guckt uns an. Mein Herz beginnt zu rasen. Andy spricht mit dem Bär: „Hey Buddy, was geht“. Er kommt noch näher. Jetzt trennen uns nur noch rund 25 Meter von dem Eisbär. Und macht Anstalten, noch näher zu kommen. Das ist jetzt selbst Andi zuviel. Er klopft auf das Quad. Der Bär weicht ein paar Schritte zurück. Und fängt wieder an, in den Büschen nach Beeren zu suchen. So, als wären wir überhaupt nicht da. Erst als wir wieder die Quads starten, schaut er uns neugierig hinterher. Ein unglaubliches Erlebnis, einem Eisbär in freier Wildbahn in die Augen zu sehen.
Danach fuhren wir weiter die Hudson Bay entlang – weitere Eisbären haben wir aber am Nachmittag nicht mehr zu Gesicht bekommen – nur unser Buddy, der war noch immer am selben Ort und schaute uns lange hinterher, als wir wieder an ihm vorbeifuhren.
Hudson Bay