Buchrezension: Über allem der Berg von Helma Schimke
Monate lag es im Buchregal. Unangetastet. Ungelesen. Bis ich es schließlich zur Hand nahm. Und ich es nicht mehr beiseite legen konnte. Helma Schimkes Andekdoten aus den Pioniertagen des Alpinismus gehören zu den faszinierensten Büchern, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
Ich bin keine Bergsteigerin. Ich wandere. Meist im Mittelgebirge. Hin und wieder besteige ich einen Gipfel. Im September unternahm ich eine fünftägige Etappenwanderung auf dem Schladminger Tauern Höhenweg. Als ich auf dem Gipfel des Greifenbergs in 2618 Metern Höhe auf dieses steinerne Meer von schroffen Felsen schaute, die sich majestätisch in den Himmel reckten, da spürte ich es. Dieses unbeschreibliche, berauschende Gefühl, das sich im Körper ausbreitet, wenn du aus eigenen Kräften den Gipfel erreichst. Mit einem Mal war mir klar, warum es Menschen immer wieder in die Berge zieht.
Berauscht von den Bergen
Helma Schimke war eine von denen, die berauscht wurde von den Bergen. Die süchtig war und immer wieder zurückkehren musste. Zwei Monate vor ihrem Tod ging sie mit einer jungen Freundin noch einmal auf den Gaisberg. Da war sie 92 Jahre alt. Und ärgerte sich darüber, dass sie den Gipfelschnaps vergessen hatte, schreibt Annette Mäser, die das Vor- und Nachwort des Buches, schrieb, das in einer neuen Auflage herausgegeben wurde.
Helma Schimke erzählt über ihr Leben, die Liebe zu den Bergen und tut das mit solch kraftvoller Poesie, dass ich nicht anders kann, als staunend einzutauchen in diese mir so fremde Welt der Berggipfel, der Bergsteiger und der Bergtragödien.
Das 1964 verfasste Buch, das vom Bergwelten Verlag in einer Neuauflage erschienen ist, erzählt von ihrem persönlichen Schicksalsschlag, als ihr Mann Konrad Schimke mit zwei Kameraden in der Watzmann Ostwand von einer Lawine verschüttet wird. Akkrikisch berichtet sie über die Rettungseinsätze der Bergwacht, damals als es kaum Telefone in den Dörfern gab, über die Sucheinsätze, Hubschrauberflüge und schließlich die traurige Gewissheit, dass alle drei den Bergsteigertod fanen und nie mehr zurückkehren würden.
Helma Schimke bleibt den Bergen verbunden, trotz Kinder, trotz ihrer Arbeit als freie Architektin. Die Berge sind ihr Lebenselixier. In den 50er und 60er Jahren zählt sie zu den weltweit besten Bergsteigerinnen. Sie geht beharrlich weiter in die Berge, trotzt aller Kritik und beschreibt ihre Erlebnisse mit bildgewaltiger Kraft.
„Die frühe Morgenstunde auf dem Gipfel sah uns lachend und zuversichtlich fürs ganze Leben. Und während des langen, türme- und schluchtenreichen Abstiegs – nie schwierig, nie gefährlich, Pflichtfach waren nur „Nase“- und Vorsicht“ – verwirrten die Blumen in diesem Farben- und Düfteparadies. Ein Italienhimmelblau prahlte über samt-grünen Tälern, unter spöttischem Windgekicher umtanzten einander dünne Nebelschärpen am Fuß des mächtigen Gipfelaufbaues. Steine pfiffen durch die Luft.
Aus Blumenpolstern sprangen wir über die schmale Randkluft – eine schattige schwarze Spalte, die den Körper des Berges von seiner Basis trennt – in knietiefen, weichen, aufgewärtem Firn. Skischnell ging‘s über die steile Schneeflanke hinunter, bis sich ein müder Moränenrücken gegen unseren Steilhang stemmte und wir mit weiteren Sätzen über mausgraue Blöcke hüpften.
Auf flachen schmalen Schneezungen noch ein wenig dahinschlitternd, stapften wir dann durch einen Nebeltunnel direkt auf die Hütte zu.“
Wer diese Sätze mag, wird das Buch lieben!
Wer Berge mag, wird in diesem Buch wunderschöne Liebeserklärungen finden, echte Wortschätze, die ich markierte und in mein Notizbuch schrieb, um sie zu bewahren.
„Je öfter man zum Berg kommt, umso mehr liebt man ihn. Es ist jedes Mal wie eine Rückkehr in die Heimat. Wie ein Jasagen zu sich selbst.“
Danke Helma Schimke, dass du uns teilhaben lässt an deiner Heimat, den Bergen, die dir so viel bedeutet haben.
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