Für euch getestet: Der Keen Karraig Wanderschuh für Frauen

Sie tragen uns von Tal zu Berg und über Stock und Stein: Unsere Wanderschuhe sind neben dem Rucksack das Herzstück der Outdoor-Ausrüstung. In deinen Schuhen musst du dich zu Hause fühlen, sie müssen passen wie eine zweite Haut. Mit dem neuen Karraig hat die Outdoor- und Lifestylemarke Keen einen speziell für Frauen entwickelten Wanderschuh auf den Markt gebracht, der für mehrtägige Trekking-Touren gedacht ist. Ich habe den Schuh bei einer eintägigen Felsenwanderung und einer einwöchigen Trekkingtour durch die Schladminger Tauern getestet. Hat der Keen Karraig den Härtetest bestanden?

Die Marke Keen wurde 2003 in Portland, Oregon (USA) gegründet und durch ihre Abenteuersandale mit der breiten Zehenkappe bekannt. Vor mehr als zehn Jahren kaufte ich mir die Hybrid-Sandale Owyhee von Keen, die sich für Wandern und Wassersport eignete. Eine geniale Sandale, die bedauerlicherweise nicht mehr im Programm ist. Im Sommer 2018 testete ich die Keen Evofit One Sandale. Neben den Sandalen hat Keen eine wachsende Anzahl von Wander- und Trekkingschuhen im Sortiment, die in Europa entwickelt und hergestellt werden. Für Menschen mit etwas breiteren Füßen sind Keen Schuhe wunderbar geeignet, was der Firma allerdings auch Kritik einbrachte. Deshalb wurden spezielle Leisten für schmalere Frauenfüße entwickelt, wie der Terradora, den ich gerne getestet hätte, allerdings war der Schuh für meine Füße leider zu schmal. Im März 2018 testete ich den Keen Westward und nun war ich gespannt, ob der Karraig, mit dem Keen erstmals einen Schuh für anspruchsvolle Trekkingtouren vorstellt, hält, was er verspricht.

Hinweis zu meinen Testberichten
Auf meiner Website stelle ich hin und wieder Produkte vor, die ich auf Reisen, bei der Arbeit und in der Freizeit einsetze. Für das Verfassen der Erfahrungsberichte erhalte ich kein Honorar vom Hersteller, noch nimmt dieser Einfluss auf den Inhalt. Sollte ich für einen Test Muster erhalten haben, wird dies ausdrücklich erwähnt.

Der Keen Karraig wird mit Anleitung zum Schnüren geliefert

Karraig ist gälisch für Fels und wurde speziell für Backpacking- und Trekkingtouren in Europa entwickelt. Nach der Markteinführung des Herrenmodells in der Sommersaison 2019 folgte das Frauenmodell im Herbst. Was unterscheidet den Karraig von anderen Wanderschuhen?

Macht einen soliden, wertigen Eindruck. Der Karraig ist der bislang technischte Wanderstiefel der Marke Keen

Die Schnürung bringt mich zum Verzweifeln

Der Schuh besitzt eine dreistufige Schnürung. Dazu gibt es extra einen Flyer, der im Schuhkarton mitgeliefert wird. »In 3 Schritten zum perfekten Sitz« wird dort erklärt. Der Schuh besitzt eine Feststell-Öse, die geöffnet werden kann, wenn die Schnürsenkel in Richtung Fersen gezogen werden, und verriegelt wird, wenn die Schnürsenkel Richtung Vorderfuß gezogen werden. Klingt kompliziert. Ist es auch. Diese Schnürung ließ mich schier Verzweifeln. Der Schuh passte, fühlte sich bequem an, aber die Schnürung fand ich unglaublich kompliziert und fragte mich, ob das nur ein Marketing-Gag ist und ob das in der Praxis wirklich etwas taugt.

Ausgestattet mit der speziellen Ösenschnürung und Fersenbremse soll der Wanderschuhe besseren Halt beim Abstieg geben

Vor dem ersten Einsatz trug ich den Schuh zwei Tage lang mit Wandersocken im Haus. Vom ersten Reinschlüpfen an besitzt er den Wohlfühlcharakter, den ich an meinen bisherigen Keen-Schuhen so schätze.

Mit dem Felsenschuh auf den Felsenpfad

Der erste Einsatz hatte der Karraig auf dem „Sentier des Roches“ in den Vogesen in Frankreich. Ein idealer Wanderweg, um einen Schuh, der sich „Fels“ nennt, auf Herz und Nieren, bzw. Schaft und Sohle zu testen. Der Felsenpfad gilt als der anspruchsvollste Wanderweg in den Vogesen und hat neben ausgesetzten Stellen, die mit Stahlseilen gesichert sind, auch einige Kletterpassagen, die zu meistern sind.

Das Testgebiet: Der Sentier des Roches (Felsenpfad) in den Vogesen

Bis zur Wanderung klappte das dann auch mit der Schnürung. An diesem Tag war der Untergrund trocken und der Karraig klebte regelrecht am Fels. Ich war erstaunt, wie gut der Grip der Sohle ist. Ich fühlte mich bei jedem Schritt sicher. Egal ob auf Waldwegen, steinigen, felsigem Untergrund (was den Hauptteil des Felsenpfads ausmachte) und selbst bei kleinen Klettereien hatte ich immer sicheren Stand. Der Schuh trug sich bequem, nichts drückte oder rieb. Einfach genial. Ich musste während des ganzen Tages nicht einmal die Schnürung nachbessern. Der erste Test verlief erfolgreich. Sollte ich es wagen, den Karraig auf die einwöchige Trekkingtour mitzunehmen?

Im Fels spielt der Karraig seine Stärken aus

Härtetest in den Schladminger Tauern

Einen neuen Wanderschuh für einen Tag zu tragen, ist das eine. Aber einen neuen Schuh auf einer einwöchigen Trekkingtour durch hochalpines Gelände mitnehmen? Ich war hin- und hergerissen, schlupfte immer wieder in meine bewährten Hanwag-Stiefel, verglich mit den Keen-Schuhen. In meinem Kopf malte ich mir Horrorszenarien von blutigen, mit Blasen übersäten Füßen aus. Dann entschied ich mich: Ich wandere mit dem Karraig, schließlich will ich wissen, wie sich der als Trekkingschuh angepriesene Wanderstiefel im echten Einsatz bewährt.

Der Schladminger Tauern Höhenweg

Der Schladminger Tauern-Höhenweg führt durch hochalpine Bergwelten mit fantastischen Ausblicken

Auf Einladung der Steiermark Tourismus ging es auf eine einwöchige Hüttenwanderung auf dem Schladminger Tauern Höhenweg. Als ich mir den Wegeverlauf im Internet anschaute, bekam ich Respekt vor der Strecke: Hochalpines Gelände, teilweise Kletterpassagen mit Stahlseilen gesichert, was ausreichend Bergerfahrung erfordert. Und natürlich Kondition, denn auf den Etappen geht es ordentlich zur Sache. Auf dem 70 Kilometer langen Höhenweg sind insgesamt 6.227 Höhenmeter im Aufstieg und 6.935 Meter im Abstieg zu meistern. Über die Hüttentour wird es einen eigenen Beitrag geben, in diesem Blogbeitrag soll ja die Performance des Keen Karraig im Vordergrund stehen.

Ein Wort über Wandersocken

Genauso wichtig wie ein gut sitzender Schuh sind Wandersocken in der richtigen Größe. Baumwollsocken eignen sich nicht, da sie bei Feuchtigkeit (und wer hat keine schwitzigen Füße in Wanderschuhen?) nass bleiben und zu Reibungen und Blasenbildung führen. Deshalb immer Merinosocken oder Socken aus Kunstfaser oder Materialmix aus beidem wählen. Auf dem Schladminger Tauernhöhenweg hatte ich zwei Paar unterschiedliche Wandersocken mit dabei:

  • WrightSock Escape crew
    Eine doppellagie Socke mit Frottee-Polsterung im Zehen- und Fersenbereich
    Innen: 70% Polyester, 26% Nylon, 4% Elasthan
    Außen: 71% Polyester, 24% Nylon, 5% Elasthan
  • Smartwool Hiker Medium Crew
    Socke mit mittlerer Polsterung aus 61% Merinowolle, 37% Nylon und 2% Elastan

Die ersten Tage wanderte ich in den WrightSock. Diese Socken passen einfach hervorragend zum Keen (damit meine ich nicht nur farblich). Die WrightSock verbindet zwei Sockenschichten miteinander, damit wird Reibung verhindert und dies sorgt für den Feuchtigkeitstransport, der von der inneren, weißen Schicht nach außen abgegeben wird. Ich war zunächst skeptisch, ob das wirklich funktioniert oder ob die Socke sich innerhalb des Schuhs verdreht. Als überzeugte Merinowollsockenträgerin widerstrebte mir auch das Wandern in reinen Kunstfasern. Allerdings hat mich die WrightSock mit ihrer Performance bei anderen mehrtägigen Wanderungen überrascht und inzwischen zählt sie zu meinen liebsten Wandersocken. Auf der Schladminger Tauern-Höhenweg-Tour fingen sie allerdings nach dem dritten Tag an zu müffeln und es war an der Zeit für einen Sockenwechsel. Den Rest der Tour trug ich die Smartwool Hiker Medium Crew (die bis zum Ende der Tour nicht müffelten).

Der Karraig im alpinen Gelände

Der Schladminger Tauern-Höhenweg ist ein anspruchsvoller, alpiner Wanderweg, der Wander- und Bergerfahrung erfordert. Insofern war das das ideale Testgelände für den Karraig. Ich bewegte mich sicher im Gebirge, hatte sehr guten Grip sowohl beim Auf- wie auch beim Abstieg. Die gute Haftung der Sohle zeichnete den Karraig aus, galt es doch viele felsige Schotterfeldern zu überqueren.

Nebliger Aufstieg zur Rotmandlspitze auf 2.543 Meter

Wie schon am Felsenpfad in den Vogesen, bewegte ich mich sicher durch felsiges Terrain. Der Schuh war nicht klobig, ich hatte immer ein gutes Gefühl für den Untergrund. Der stete Wechsel zwischen Schotter, Wanderpfad, leichter Klettersteig im Auf- und Abstieg meisterte der Keen souverän. Auch die Mehrlast, da ich jetzt einen vollbepackten Hüttenrucksack trug (ca. 10 Kilogramm Gewicht, inklusive Stativ und Fotoapparat), steckte der Schuh gut weg. Auf der Tour musste ich den Schuh ein- oder zweimal am Tag neu schnüren, was aber bei längeren Touren normal ist. Inzwischen war ich die Schnürung gewohnt und konnte den Schuh recht flott schnüren. Wobei hier wirklich gründlich darauf geachtet werden muss, dass der Schuh exakt geschnürt wird. Das fällt bei Wanderschuhen ohne Feststellösen wesentlich leichter. Abends nach der Tour hatte ich weder Blasen noch Rötungen an den Füßen. Die Aufstiege wie auch Abstiege waren heftig. 1000 Höhenmeter im Abstieg am Ende des Tages, das fordert Kraft, Konzentration und exakte Schritte. Mein Fuß saß fest im Schuh, kein Anstoßen, kein Reiben. Alles prima.

Härtetest bestanden: Mit dem Karraig auf der Rotmandlspitze in 2543 Meter

In den Hütten, in denen keine Schuhheizung verfügbar war (Heizstäbe auf die die Wanderschuhe gesteckt werden), war das Innenfutter des Karraig morgens noch feucht gewesen, was aber zu keiner Funktionsminderung geführt hat. Am nächsten Morgen in die Wanderschuhe zu steigen, war mit keinerlei negativen Gefühlen verbunden. Ich hatte den Eindruck, meine Füße freuen sich, weil sie wussten: Juhuu, es geht wieder los in die Berge! So muss ein Wanderschuh sein!

Kritik und abschließende Bemerkungen

Ist der Keen Karraig also der ultimative Trekking- und Hikingschuh für Hüttenwanderungen?  Obwohl ich mit dem Karraig sehr gut auf dem Schladminger Tauern Höhenweg zurechtgekommen bin, gibt es einige kritische Anmerkungen zu meinem ansonsten sehr positiven Erfahrungsbericht.

Ob ein Schuh passt oder nicht ist eine sehr individuelle Sache. Es gibt Marken, die passen auf die Füße, andere gehen gar nicht. Ich habe mit der Marke Keen sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Schuhe passen zu meinen Füßen, die durch Gehen in minimalistischen Schuhen und Yoga eine kräftige Muskulatur entwickelt haben. Hingegen passen mir die Schuhe mit den schmaleren Leisten wie beim Keen Terradora überhaupt nicht. Das muss jeder für sich herausfinden.

Am dritten Tourentag meinte meine Kollegin, eine sehr erfahrene Bergjournalistin, mit der ich den Höhenweg wanderte, dass die Schuhe für mich zu groß wären. Sie zeigte auf eine Falte, die sich an der Seite gebildet hatte. Mir ist das nicht aufgefallen. Die Schuhe haben ja optimal in meiner Größe (39,5) gepasst. Der Karraig hatte genau die richtige Größe für mich, als ich den Schuh aus dem Karton zog. Im Gegenteil. Nach der ersten Tour auf dem Felsenpfad dachte ich zunächst, ich hätte ihn eine halbe Nummer größer wählen sollen. Keen gibt übrigens auf seiner Website an, dass Kunden finden, der Schuh falle etwa eine halbe Nummer kleiner aus, daher sollte er in einer halben Nummer größer bestellt werden.

Als Journalistin teste ich unabhängig und unter realen Bedingungen

Was ich spürte, war, dass der Schuh nach einigen Tagen auf dem Schladminger Tauern Höhenweg größer wurde. Ich fand das seltsam, denn eigentlich schwillt der Fuß ja bei einer ganztägigen Wandertour an. Daher sollte die Größe auch nie zu eng gewählt werden. Doch tatsächlich weitete sich der Schuh, was dazu führte, dass der Sitz nicht mehr so optimal war wie zuvor.

Wichtig war, dass die Ferse noch in den Schuh passte, ich also nicht mit der Ferse nach oben rutschte. Der Schuh schien einfach ein wenig zu lang zu sein. Und das, obwohl die Innensohle perfekt auf meinen Fuß gepasst hatte.

Hätte ich ihn eine halbe Nummer kleiner nehmen sollen? Dann wäre er zu Beginn ganz sicher zu eng gewesen. So habe ich das bisher noch in keinem Schuh erlebt. Zwar hatte ich bis zum Ende der Tour keine Reibung an den Füßen, aber der Schuh war wirklich zu groß geworden. Auch ein engeres Schnüren half nicht – das brachte unangenehmen Druck auf die Leiste. Vermutlich muss ich die Innensohle wechseln oder eine zweite, dünne Innensohle einlegen, damit der Fuß wieder optimal in den Schuh passt.

Wieder zu Hause verglich ich den Karraig mit meinen Hanwag Tatra Wide Wanderschuhen, die ebenfalls Größe 39,5 haben. Tatsächlich wirkt der Keen Karraig wesentlich größer, obwohl die Innensohle der Schuhe genau gleich groß ist. Wer sich den Schuh online bestellt, sollte daher lieber zwei unterschiedliche Größen bestellen und den Sitz genau vergleichen.

Fazit nach einer Woche alpiner Höhenwanderung

Den Karraig empfehle ich für Wanderungen und Hüttentouren mit 8 bis maximal 12 Kilogramm Gewicht im Rucksack. Für eine Trekking-Tour, bei dem der Rucksack mit Schlafsack, Zelt und Proviant für mehrere Tage bepackt wird, würde ich den Karraig nicht einsetzen. Für schwere Lasten (ab 15 Kilogramm Gewicht) ist die Sohle im Vergleich zu anderen Trekkingschuhen nicht steif genug.

Der Karraig spielt seine Stärken in mittleren Höhenlagen bis hin zu alpinen Gelände mit Kletterpassagen  aus, bei dem leichtes Gepäck getragen wird. Wenn ich es richtig verstehe, wurde der Keen speziell für Touren in kälterem, feuchten Klima entwickelt, wie es in Skandinavien und den schottischen Highlands der Fall ist, wie dieser Bericht zeigt.

Der Keen Karraig im Überblick

    • Obermaterial aus wasserabweisendem Leder und „Performance-Mesh“
    • atmungsaktive KEEN.Dry-Membram
    • Innenfutter aus atmungsaktiven Mesch-Material
    • frauenspezifischer Leisten mit reduzierter Schafthöhe zum Schutz der Achillessehne
    • gepolsteter Schaftrand
    • PFC-freie Beschichtung
    • PU-Zwischensohle
    • EVA-Fußbett, herausnehmbare Innensohle mit Gewölbeunterstützung
    • durchgehende Stabilisierungsplatte
    • umlaufendes Heel-Lock-System für sicheren Fersenhalt
    • Schnellzugshaken mit dreistufigem Schnürsystem
    • All-Terrain-Gummilaufsohle mit 5 mm Multifunktionsstollen
    • Hergestellt in Europa (Rumänien)
    • Der Keen Karraig ist auch in einer Herrenversion erhältlich
    • UVP 189,95 Euro

Mehr über die Firma Keen Footwear und ihre Produkte erfährst du auf der Homepage von Keen.

Für diesen Testbericht wurde  mir von der Firma Keen ein Testmuster des Karraig zur Verfügung gestellt.

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