Abenteuer, die man unbedingt lesen sollte

Einer läuft zu Fuß über die Alpen, der andere durchquert auf einem Stand-up-Paddleboard Deutschland. Zwei, die aus ihrem Alltag ausbrechen und sich aufmachen, ein Abenteuer zu erleben. Beide wollen jede Nacht draußen schlafen. Allein das Erlebnis reicht nicht aus, um daraus ein lesenswertes Buch zu machen. Ob es den beiden Autoren gelungen ist?

Wir leben in einer Welt, in der jeder noch so abgelegene Winkel der Erde mit einem Klick auf dem Bildschirm erscheint, in der es Apps, Streetmaps und Webcams gibt, die fast jeden Ort live zugänglich machen. Kann man da überhaupt noch Abenteuer erleben? In Zeiten von Social Media und Instagram, wo jede/r mit entsprechender Reichweite, einem umgebauten Van, vegan lebend und Yoga-trainiertem Körper, oft mit vierbeinigem Gesellen durch die Lande reist, seine Abenteuer mit hübsch aufbereiteten Bildern veröffentlicht und man den Eindruck bekommt, alle Welt sei neuerdings in hippen Campervans unterwegs?

Hin und wieder glitzern in der Bücherflut einige Perlen auf. Es sind grandios geschriebene Geschichten oder außergewöhnliche Erlebnisse. Im besten Fall beides.

Max Heberer – Gipfelnächte
Mein Weg durch die Alpen – und wie mich Rege Demut lehrte

Max Heberer sitzt im ICE und erlebt einen Aha-Moment. Vor ihm ein Laptop voller Termine und Verpflichtungen, auf der anderen Seite der Scheibe eine wunderschöne Landschaft, die er wie eine an der Scheibe klebende Fliege nur im vorbeiziehen erlebt. Er spürt, dass er an seinem Lebensstil etwas ändern muss und beschließt, zu Fuß über die Alpen zu wandern. Mit Rucksack, Schlafsack und Biwaksack. Er will die Nächte draußen unter dem Sternenhimmel verbringen.

Heberers Buch beginnt mit einem Prolog, der mich mitten hinein nimmt in sein Abenteuer: „Wenn das Wetter so bleibt, bin ich spätestens in zwei Tagen tot.“ Was für ein schöner erster Satz. Der Autor lässt mich spüren wie es ist, wenn eiskalter Regen auf die Goretex-Jacke prasselt und sich das kalte Nass seinen Weg in die Socken bahnt. Ich lese von seiner Sehnsucht, die Natur hautnah zu spüren: „Ich ertrage sie nicht mehr, die Tage und Nächte in geschlossenen, künstlich beleuchteten Räumen, ohne Ausblick oder frischen Wind auf der Haut.“

Show, don’t tell

Max Heberer beschreibt nicht nur seine Wanderung, ich erfahre von seinen Stimmungen und Sehnsüchten. Er ist ein Meister im Erzählen seiner Begegnungen und der gewaltigen Naturkulisse, die er durchwandert. Er lässt mich nah ran an seine Gefühle, seine Erfolge und an die Tage, an denen er alles in Frage stellt. Heberer beherrscht das „Show, don’t tell“ des Schreibens. Jene Kunst, die dem Leser, der Leserin erlaubt, die Emotionen und Empfindungen nachzuvollziehen, anstelle bloßer Auflistung der Ereignisse. Gipfelnächte hat mich als Leserin überzeugt und begeistert. Ein wunderschön geschriebenes und gestaltetes Buch, das sich als Sommerlektüre für den Urlaub empfiehlt.

Max Heberer, Gipfelnächte – Mein Weg durch die Alpen und wie mich Regen Demut lehrte, 2021 HarperCollins, 256 Seiten, ISBN-13 978-3749902613, 18 Euro. Bestellen bei Amazon Anzeige 

Christo Foerster – Abenteuerland
Von der Zugspitze nach Sylt

Christo Foerster ist Deutschlands Mister Mikroabenteuer. Sein Buch „Raus und Machen“ wurde zur Pflichtlektüre einer neuen Bewegung, die das Abenteuer im Alltag sucht. Mikroabenteuer sind Unternehmungen, die im näheren Umfeld vor der eigenen Haustür stattfinden und die eine Übernachtung unter freiem Himmel (vorzugsweise in der Hängematte) beinhalten.

In seinem neuen Buch erzählt Christo Foerster von einem Mikroabenteuer im XXL-Format: Mit dem Stand-up-Paddle Board quer durch Deutschland, von der Zugspitze bis nach Sylt. Ein Unterfangen, das es so noch nicht gegeben hat. Damit zeigt Christo Foerster, dass es tatsächlich in unserer heutigen Zeit noch möglich ist, ein echtes Abenteuer zu erleben – und das mitten im dicht besiedelten Deutschland.

Auch Christo Foerster hat sich vorgenommen, jede Nacht unter freiem Himmel zu verbringen, mit Tarp, Schlafsack und seiner Hängematte. Bis er auf Seite 23 zu seinem Abenteuer aufbricht, lese ich mich durch die Seiten, wie auch Christo Foerster durch ein Fenster blickt. Während der Pandemie sitzt er mit seiner Familie in den eigenen vier Wänden und sehnt sich nach dem Draußen-Sein.

Bei einem Podcast-Interviews wird ihm klar, was ihm tatsächlich fehlt: Ein klarer Kopf und eine neue Vision. Es ist die Initialzündung zum großen Abenteuer mit dem SuP-Board, das in ihm zu reifen beginnt. Das Abenteuer, das uns Christo Foerster in den nächsten 200 Seiten erzählt, ist großes Kino. Wie er sich mit 40 Kilogramm Gepäck von der Zugspitze zum Eibsee kämpft, wie er seine Hängematten-Übernachtungsplätze sucht, sein Board durch unzählige Wehren bringt und wie es ihm am Ende gelingt, Sturm und Regen zu trotzen und übers Meer nach Sylt zu paddeln.

Auf der Suche nach einer Vision

Während sich Christo Foerster quer durch Deutschland auf dem Wasser und zu Land durchschlägt, auf der Suche nach einer Vision, lese ich mich durch die Seiten und bleibe am Ende des Buches irgendwie enttäuscht zurück. Der Autor hat es nicht geschafft, mich in seine Visionssuche hineinzuziehen, letztendlich bleibt es in meinen Augen eine Geschichte, die wie ein Protokoll zu lesen ist. Ich spüre weder das Salz auf der Haut noch den Wind und die Wellen unter seinem Board. Echt schade, denn ich hatte mehr erwartet.
„Ich wollte eine außergewöhnliche, ja spirituelle Vision und habe erkannt, dass es schon reicht, einfach mit allen Sinnen voll da zu sein. Die Berge, Wälder, Flüsse und Meere sind zu meinen Verbündeten geworden….“ schreibt Christo Foerster. Gerne hätte ich mehr darüber gelesen, über seine innere Reise, darüber wie die Natur zu seinem Verbündeten geworden ist.

Liegt meine Enttäuschung vielleicht darin begründet, dass ich die gesamte Reise von Christo Foerster auf seinem Instagram Account verfolgt habe? Dort zogen mich seine Stories unmittelbar mit hinein in sein Abenteuer, ich war sozusagen live dabei. Abenteuerland wird es übrigens als Film-Dokumentation geben. Und wenn ich mir den Trailer ansehe, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass ich im Film das finde, was ich im Buch vermisst habe.

Christo Foerster, Abenteuerland – Von der Zugspitze nach Sylt, 2022 HarperCollins, broschiert, 240 Seiten, ISBN-13 978-3365000304, 16 Euro Bestellen bei AmazonAnzeige 

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