Es ist Sonntag, der erste Advent, 1. Dezember 2013 als wir uns nach einem genialen Frühstück in der Pension Heidi in Dobel auf den Weg nach Forbach machen. 26 Kilometer liegen vor uns, die uns über die Hochebene des Kaltenbronn hinunter ins Murgtal nach Forbach führen. In Dobel ist es still, niemand ist auf der Straße. Kurz vor Ortsende steigt eine Frau aus dem Auto. „Wandern Sie den Westweg?“ Wir nicken. Das findet sie eine super Sache, erzählt sie uns. Nach einer kurzen Unterhaltung ziehen wir weiter und passieren das Sonnentor Dobel. Von der Sonne ist am Sonnentor leider keine Spur.
Wir machen unser obligatorisches Westweg-Portal-Foto und marschieren munter los. Auf dem leicht vereisten Weg passieren wir das alte Dobler Wahrzeichen, den Wasserturm. Leider ist die Sicht wolkenverhangen und uns bleibt die Fernsicht, die sich bei guten Wetter bietet, verwehrt. Wir lassen den Turm hinter uns und tauchen ein in die schneebedeckten Tannenwälder des Schwarzwaldes.
Es ist leicht neblig, hin und wieder strahlen einzelne Sonnenstrahlen aus dem Nebel hervor, was den Schwarzwald in einem mystischen Licht erscheinen lässt.
Wir ziehen unsere Spuren durch den Neuschnee der vergangenen Nacht. Und jubeln vor Glück: So haben wir uns die Westweg-Winter-Wanderung vorgestellt. Endlich im Schnee. Eine verschneite Winterlandschaft hat etwas Meditatives. Sie beruhigt die Seele. Die Atmosphäre ist von einer eigenartigen Stille geprägt, als hätte der Schnee jeden Ton verschluckt.
Merkwürdig ist auch das Landschaftsbild. Wir stehen mitten im Winter, einige Hundert Meter unter uns ist alles grün.
Plötzlich hören wir Motorenlärm. Ein Auto auf dem Westweg? Kurz darauf fährt ein Jeep an uns vorbei. Es ist Manfred Senk, Förster und Mitarbeiter des Infozentrum Kaltenbronn. Das Gespräch über Jagd, Wild– und Naturschutz zeichnen wir für den Podcast auf.
Die von Manfred Senk erbaute Schweizerkopfhütte habe ich im Podcast versehentlich mit „Schmelzerkopfhütte“ bezeichnet. Asche auf mein Haupt! Allerdings konnte ich den Schriftzug wegen des Schnees nicht wirklich entziffern. Die Schweizerkopfhütte steht auf 835 Metern Höhe, nördlich des Schweizerkopfs mit Ausblick auf das Albtal. Die Aussicht ist dem Orkan Lothar zu verdanken. Bei gutem Wetter hat man von der Hütte eine fantastische Fernsicht.
Der Westweg verläuft größtenteils auf breiten Forst- und Waldwegen. Im Sommer wären diese Wege höchst unattraktiv, doch mit der Schneedecke hat der Weg einen gewissen Zauber. Leider reicht der Schnee nicht für die Schneeschuhe aus. Wir kommen zügig voran und genießen die Wanderung durch den stillen Winterwald.
Seinen Zauber entfaltet der Westweg auf den schmalen Pfaden, die uns durch die verschneiten Tannenwälder führen. Dort treffen wir einen Wanderer aus Dobel, der nach seiner Rast auf der Hahnenfalzhütte wieder auf dem Rückweg nach Dobel ist.
Wir durchqueren das Hochmoor Kaltenbronn. Wie eine Märchenlandschaft mutet der verschneite Wildsee an. Das Hochmoor Kaltenbronn liegt auf über 900 Metern. Die beiden Hohlohseen, der Wildsee und Hornsee, sind Hochmoorkolke, die auch als Mooraugen bezeichnet werden. Tatsächlich sehen die Moorseen auf Luftbildern im Sommer wie Augen aus.
Entlang des Wildsees führt ein Holzbohlenpfad. Schon bald sehen wir den markanten Hohlohturm, der vom Schwarzwaldverein 1887 errichtet wurde. 1968 wurde der Turm erweitert und ist heute 28,6 Meter hoch. Der Turm steht auf der höchsten Erhebung des Hochplateaus auf 988 Metern. Trotz guten Wetters haben wir auf die Besteigung verzichtet, da wir Forbach noch bei Tageslicht erreichen wollen.
Das Wetter macht auf, blauer Himmel und Sonnenschein. Ein traumhafter 1. Advent im Schwarzwald. Wir können uns nicht vorstellen, an irgend einem anderen Ort auf der Welt zu sein.
Henry David Thoreau schreibt in seinem Buch Walden. Ein Leben mit der Natur
„Die wahre Ernte meines täglichen Lebens ist etwas so Unberührbares, so Unbeschreibliches wie die Himmelsfarben am Morgen oder Abend; sie ist eine Handvoll eingefangenen Sternenstaubs, ein Stückchen Regenbogen.“
Thoreau hat sich mit 28 Jahren in die Wälder am Walden-See in Neuengland, USA, zurückgezogen um dort ein Experiment zu wagen: Alleine, auf sich gestellt, im Einklang mit der Natur zu leben. Das war 1845. Sein Buch ist heute noch immer aktuell. Und ein klein wenig spüren wir sie, diese Freiheit, die Thoreau erlebte, und das, obwohl wir erst den zweiten Tag auf dem Westweg im Winter unterwegs sind.
Bald steht der Abstieg ins Murgtal bevor. Und das heißt Adé Winterlandschaft. Denn tief unten im Tal der Murg ist alles grün.
Auf 715 Metern Höhe befindet sich der Latschigfelsen und in unmittelbarer Nähe der Aussichtspavillon. Dort legen wir eine kleine Teepause ein und stärken uns mit einem Energieriegel.
Der Abstieg ins Murgtal geht mächtig in die Knie und erfordert Konzentration, nasse Steine und Blätter machen den Untergrund sehr glitschig.
Noch wissen wir nicht, wo wir in Forbach eine Unterkunft finden. Und inzwischen haben wir auch mächtig Hunger. Anders als auf der gestrigen Etappe haben wir uns heute keine warme Mahlzeit zubereitet.
Geschafft! Nach 8 Stunden und 26.95 Kilometern haben wir unser Etappenziel Forbach erreicht.
Hier geht es zur Audioreportage über die 2. Etappe des Westwegs im Winter: