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Mein Yukon Tagebuch Tag 1

 

Ehrlich gesagt, keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Als ich mein Zuhause frühmorgens im  südlichen Deutschland an Pfingsten verlasse, beginnt ein Tag, der einer der schönsten Frühsommertage des Jahres wird – Temperaturen bis zu 30 Grad eingeschlossen. Und ich mache mich auf dem Weg vom Schwarzwald in den Yukon. Abends lande ich in Whitehorse, da scheint dieselbe Sonne von Himmel. Mit nur einem Unterschied. Der ist jedoch beträchtlich. 20 Grad. Weniger.

 

Tja und früh morgens, da war es noch einen Tick kälter. Und so sitze ich hier im offenen Waggon der White Pass Yukon Railroad und der Wind pfeift mir um die Ohren. Meine Icebreaker-Mütze und Handschuhe liegen im Koffer im Hotel. Braucht man doch nicht, ist doch warm da draußen, die Sonne scheint ja auch. Hab noch über meinen Kollegen gelacht, der mit Winterjacke loszog. Mir hat ja auch keiner gesagt, dass wir auf der offenen Plattform des Zuges stehen können. Bibbernd ziehe ich mir die Kapuze meines Pullovers über den Kopf. Ist mir doch jetzt wurscht wie ich aussehe, Hauptsache ich habe warm. Und kann gute Fotos machen.

 

Montag, der 28 Mai 2012. Mein erster Morgen im Yukon. Frühstück im Westmark Whitehorse Hotel. Der Kaffee ist mäßig, dafür gibt es Refills vom freundlich-aufmerksamen Personal. Ich bestelle mir Scrambled Eggs (Rührei) und Bratkartoffeln. Wenn schon in Kanada, dann ist ein richtiges Frühstück Pflicht. Leute, ich kann euch sagen, das waren die besten Hash Browns/Bratkartoffeln die ich je gegessen habe. Knusprig braun angebraten mit leckeren grünen Kräutern drauf. Schon alleine wegen des Frühstücks kann ich das Hotels bestens empfehlen.

 

Heute steht ein Ausflug nach Skagway, Alaska auf dem Plan. Mit dem Bus fahren wir von Whitehorse nach Fraser, British Columbia. Dort wartet bereits der legendäre Zug der White Pass & Yukon Route. Die Bahnlinie wurde 1898 während des Klondike Goldrausches gebaut. Ein Wunderwerk modernster Technik, in nur 26 Monaten aus dem Boden gestampft und das durch nahezu unzugängliches Terrain. Die Bahn war bis 1982 in Betrieb und fungierte als Lebensader zwischen der Hafenstadt Skagway und dem Yukon. Als Touristenattraktion wurde die Bahnlinie 1988 wieder belebt.

Am Bahnhof treffe ich den Brakeman des Zuges, Stephen Caulfield. Mit seinem kauzigen Bart und der Nickelbrille scheint er direkt aus jener Zeit der Goldgräber zu stammen. Dann erschallt der Ruf „All Aboard“, die Fahrgäste steigen ein, ein lautes Pfeifen, ein kurzer Ruck geht durch den Waggon und der Zug rumpelt los Richtung Alaska.

Wie der Ruf All Aboard des Conductors sich anhört und welche Geräusche der Zug macht, das gibt es hier zu hören.

Ich hatte mich auf eine gemütliche Zugfahrt eingestellt. Gemütlich war sie dann auch, aber so spektakulär, dass mich nichts im Waggon auf meinem Sitz halten konnte. Ich stand die ganzen zwei Stunden draußen auf der Plattform und machte Fotos. Die Ausblicke waren überwältigend! Wir ruckelten durch eine Gasse aus meterhohem Schnee, klebten linkerhand an der Felswand während sich rechterhand ein Abgrund auftat, 100 Meter, 200 Meter tief oder mehr. Die Bahnlinie schlängelt sich am Rande des Canyons hinauf auf den 900 Meter hohen Whitepass. Da, dort am Hang, nur wenige Meter von mir entfernt, sucht ein Bär nach Beeren. Wir rattern über Brücken, rumpeln durch stockdunkle Tunnel und halten sogar um Wanderer in der Wildnis auszusetzen und andere  an anderer Stelle aufzunehmen. Kurz nach der Passhöhe ist sogar der Pfad von 1898 zu sehen, auf dem die Goldsucher zu den Goldfeldern des Klondike strömten.

Im letzten Zugwaggon sitzt Conductor John McDermott und gönnt sich eine kurze Pause. Der 65jährige Amerikaner arbeitet bereits seit 30 Jahren auf der Zuglinie. Langweilig wird es ihm nie in seinem Job. „Ich habe doch das beste Büro auf der Welt“ schwärmt er. „Ich liebe den Wechsel der Jahreszeiten und treffe Menschen aus aller Welt.“ Zwei Jahre hat er als Lehrer gearbeitet, dann nahm er den Job als Eisenbahner an. „Die zahlen besser“, schmunzelt McDermott. Und nein, er hat gar nicht eilig, sich pensionieren zu lassen. „Ich liebe meinen Job.“

 

Blick auf Skagway von der Plattform des Zuges aus

Der Zug erreicht Skagway, Alaska. USA. Wir dürfen nicht aussteigen. Ich werde auf eine seltsame Art an eine Zugfahrt in Deutschland erinnert. Der Bahnhof hieß Helmstedt.

Ein US Grenzsoldat steigt in unseren Waggon. Kurzgeschorene Haare, Schutzweste und Pistolengürtel. Wir wollen einreisen in sein Heimatland. Sein Land, das er mit Haut und Haar verteidigen wird. Koste es, was es wolle. Uns kostete es vor allem eines: Zeit und Nerven. Einzeln müssen wir uns in das Grenzhäuschen am Bahnhof einfinden. Fotos und Fingerprints. Ich stehe mit zwei chinesischen Kolleginnen am Ende der Reihe. Als ich endlich mein Einreisevisum in die USA in der Tasche habe, ist die eine Stunde um, die für die Stadtbesichtigung in Skagway vorgesehen war. Gut 20 Minuten Verlängerung wird uns gegeben. Ich laufe in das Städtchen, das nach einer Mischung aus Westernstadt und moderner Einkaufspassage aussieht. Die Straßen sind erstaunlich leer. Wenn im Hafen die großen Cruiseships anlegen strömen Tausende Menschen in den Ort. Bevor sie einfallen, laufe ich zum Bus, der uns ins gelobte Land, zurück nach Kanada bringt.

Blick auf Skagway Downtown

Der Red Onion Saloon, einst eines der exklusivsten Bordelle in Skagway. Angeblich ist dort noch immer der Geist der wunderschönen Lydia anzutreffen.