Rad und Bad – Unterwegs auf dem Bäderradweg in Oberschwaben

Entspannt Radeln durch eine wunderschöne Landschaft, Moorbaden im Holzuber, abends Abhängen im wohlig warmen Wasser der Therme, barocke Schlösser und Kirchen besichtigen – auf dem Bäderradweg in Oberschwaben werden alle Sinne angesprochen.

Ende April war ich auf einer Pressereise in Oberschwaben unterwegs. Oberschwaben liegt in Baden-Württemberg und doch ganz schon weit weg von Südbaden. Das mag wohl auch mit ein Grund sein, weshalb ich bisher nie privat dort Urlaub machte. Doch es lohnt sich, denn die Gegend hat ihren ganz eigenen Reiz und ist sehr facettenreich.
Am entspanntesten fährt man mit der Bahn nach Oberschwaben. Die Verbindung Basel – Aulendorf über Singen/Hohentwil und Ravensburg klappte wie am Schnürchen. Und das zwei Tage nach dem Bahnstreik. Von Aulendorf ging es mit dem Bus weiter bis nach Bad Wurzach ins Kurhotel am Reischenberg.
Bad Wurzach hat sich als erstes Moorheilbad in Baden-Württemberg einen Namen gemacht. Früher war das Torf quasi die einzige Einnahmequelle für die sehr arme Bevölkerung. Das Torf wurde als Brennmaterial und Streu für Kühe abgebaut und verkauft. Bis eines Tages in den 30er Jahren der Bürgermeister Karl Wilhelm Heck Überlegungen anstellte, was denn mit dem „gruseligen Land“ dort draußen zu machen sei. Ihm war zu Ohren gekommen, dass im benachbarten Bayern das Torf für medizinische Zwecke verwendet wird. Angeblich soll er mit einem Arzt in einer Moorkuhle im Wurzacher Ried gesessen sein um über die Möglichkeiten, das Torf zu Moorbädern zu verwenden, zu diskutieren. Doch einen Haken hatte die Sache: Woher das Geld nehmen? Da erinnerte sich der Bürgermeister an das Frauenkloster. Die Oberin zeigte sich von der Sache begeistert. Ob man nun Unterricht erteilt oder Leute badet sei egal, Hauptsache, das Haus wird gefüllt.
Doch es sollte noch weitere zwei Jahre dauern, bis auch das Mutterhaus die Erlaubnis erteilte, dass im Kloster Moorbäder verabreicht werden dürfen.
Wie aber badet man im Moor? Flugs wurden eine Ordens- und eine Krankenschwester inkognito nach Bad Aibling in Bayern entsandt, um dort ein wenig zu spionieren. Doch die wissbegierigen Schwestern flogen auf und mussten ihre Koffer packen.
Ab 1936 wurden erste Moorbäder in Bad Wurzach eingelassen, zunächst für Ordensschwestern und Hausgäste. Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Moorbaden zu einem florierenden Wirtschaftszweig, der zunächst nur Frauen vorbehalten war. Aber der Bürgermeister war ein ganz Schlauer. Der lud den Bischof zum Moorbaden ein. Dieser war so begeistert, dass er das Moorbaden für Männer freigab und dafür sorgte, dass ein Bader angestellt wurde.

Besser man denkt nicht darüber nach, in was man da badet

Moorbaden soll gesund sein. Ich habe da so meine Zweifel als ich die brackige schwarze Brühe sehe, die wie Klärschlamm in den Holzzuber schwappt. Der kleine Raum ist mit Birken, Schilf und großer Leinwand, das eine Moorlandschaft zeigt, dekoriert. Zuvor wurde ich vom Kurarzt untersucht, ob mein Gesundheitszustand moorbadtauglich ist.

Besser nicht nachdenken, in was man da so badet
Besser nicht nachdenken, in was man da so badet

Moorbäder setzen thermophysikalische Prozesse in Gang, die die Selbstheilungskräfte des Körpers anregen. Durch das bis zu 40 Grad heiße Moorwasser wird der Körper in eine Art künstliches Fieber versetzt. Die Körpertemperatur steigt während eines Moorbades von 37 Grad auf bis zu 39 Grad an und hält zwei Stunden an, bevor der Körper wieder abkühlt. Zuvor erzählte uns der Leiter des medizinischen Bereichs, Chefarzt Prof. Dr. med. Eckart Jacobi von den vielen Vorzügen eines Moorbades. Die Frage, ob er selbst auch im Moor bade, verneinte er. Hm. Sollte das einem zu Denken geben? Ich kenne auch Leiter von Saunen, die nie in ihrem eigenen Betrieb in die Sauna gehen würden.

Ich bin überrascht, dass sich das zähe Moorwasser nicht heißer anfühlt, als ich in den Zuber steige. Moor ist ein schlechter Wärmeleiter, deshalb ist es angenehmer als eine 40 Grad heiße Wanne mit Wasser gefüllt. Das Moorwasser klebt sofort auf der Haut, hebt man Arme oder Beine aus dem Wasser pappt alles fest. Nun spüre ich, wie sich langsam mein Körper aufheizt. Ich liege im Zuber und sinke nicht auf den Boden ab. Mein Körper schwebt in der breiigen Masse. In was ich da so liege stelle ich mir besser nicht vor. Gut zu wissen, dass man im Wurzacher Ried bislang keine Moorleichen gefunden hat! Allerdings stammt das Torf auch nicht mehr aus dem Wurzacher Ried. Dort wurde der Abbau für medizinische Zwecke 1996 verboten, seither kommt das Torf aus der umliegenden Gegend.

Nach dem Moorbad (die Dauer beträgt zwischen 15 bis 20 Minuten) ist es wichtig, dem Körper Ruhe zu gönnen. Wer Fieber hat, liegt schließlich auch matt im Bett. Und so fühle ich mich. Brettfertig! Das kann ich bestätigen: Ein Moorbad entspannt! Gut, das täte eine Massage auch – die wäre auch wohlrichender und angenehmer. Allerdings hat das Moorbad eine Tiefenentspannung bewirkt, die ich so noch nicht bei einer Massage erlebt habe.

Das Wurzacher Ried zählt zu den größten intakten Hochmooren in Mitteleuropa
Das Wurzacher Ried zählt zu den größten intakten Hochmooren in Mitteleuropa

Wer in Bad Wurzach weilt, sollte das Wurzacher Ried erkunden. Hier leben über 2500 Pflanzen, Tiere und Pilze. Ein echtes Paradies für Naturliebhaber. Das gesamte Moorgebiet steht Naturschutz und ist eines der größten Naturschutzgebiete in Baden-Württemberg. Das Ried ist von großen Hochmoorflächen und Niedermooren umgeben. Ein idealer Ort, um zu Ruhe zu kommen und die vielfältigen Farben und Formen aufzunehmen.

Der Bohlenpfad führt weit in das Ried hinein
Der Bohlenpfad führt weit in das Ried hinein

Das Wurzacher Ried lässt sich auf zwei Wanderwegen erkunden: Wanderweg 1 mit 11 Kilometern und einer Gehzeit von drei Stunden, Wanderweg 2 mit 14 Kilometern und einer Gehzeit von 4.15 Stunden. Wer weniger Zeit hat läuft vom Naturschutzzentrum zum Riedsee (1,5 Kilometer, 30 Minuten Gehzeit) oder zum Torfmuseum (2 Kilometer, 40 Minuten Gehzeit). Bis zur Plattform im unteren Ried (Foto oben) sind es 2 Kilometer und 40 Minuten Gehzeit.

Farben und Formen - im Moor gibt es vieles zu Entdecken
Farben und Formen – im Moor gibt es vieles zu Entdecken

Wer sich eingehender mit dem Wurzacher Ried und Hochmooren beschäftigen möchte, dem sei ein Besuch im Naturschutzzentrum empfohlen. In der Themenwelt Moor Extrem lässt sich die Welt der Moore auf interaktivem Weg erforschen.

Tipp zum Einkehren: Das Gasthaus Adler in Bad Wurzach. Bodenständige Küche kreativ und pfiffig aufbereitet. Mein Gericht – Pfälzer Spargel und schwäbische Kräuterpfannküchle schmeckte hervorragend. Der Spargel war hocharomatisch und perfekt zubereitet! Kompliment an die Küche. Zum Dessert empfehle ich das Schokotörtchen. Genial lecker!

Übernachten: Kurhotel am Reischberg Bad Wurzach, Doppelzimmer mit Frühstück ab 66 Euro/Person, Moorbad im Holzzuber 49 Euro, Holzzuber-Wellness-Tage mit 2 Übernachtungen/Frühstück, Halbpension, Moorbad, Rückenölmassage, Sand-Lichtbad und freier Eintritt in das Thermalbad und Saunalandschaft für 222 Euro/Person im DZ, 240 Euro im EZ oder Apartment

Seelenlandschaft Federsee

Am nächsten Tag radelten wir nach Aulendorf. Dort besichtigten wir die Schlossbrauerei. In der denkmalgeschützten Säulenhalle hat sich der Brauer und Mälzer Florian Angele seinen Lebenstraum verwirklicht. Angele, der von allen nur „Flo“ genannt wird, hat nach 40-jähriger Unterbrechung die über 300 Jahre alte Brautradition des Ortes wieder aufleben lassen. Auf sein „Reibolf“, ein unfiltriertes Bier, das nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut wird, wird nur mit Rohstoffen aus der Region gebraut. Das Bier zeichnet sich durch ein rundes Aroma aus, im Abgang ist es leicht bitter (mir war es etwas zu herb).

Florian Angele ist Bierbrauer mit Leib und Seele
Florian Angele ist Bierbrauer mit Leib und Seele

Auf dem Bäderradweg ging es weiter nach Steinhausen. Dort sticht die Dorfkirche hervor, die im Volksmund als „schönste Dorfkirche der Welt“ bezeichnet wird.

Die Wallfahrtskirche hat beeindruckende Deckenfresken
Die Wallfahrtskirche hat beeindruckende Deckenfresken

Vor mehr als 600 Jahren begannen Gläubige mit der Wallfahrt zum Gnadenbild der „schmerzhaften Mutter Gottes auf der Saul“ in Steinhausen. Bis heute strömen Pilger aus aller Welt in den beschaulichen Ort um Architektur, Stuckarbeiten und vor allem die Malerei zu bewundern und um dort zu beten.

Ein weiterer Höhepunkt unserer Reise war der Federsee in Bad Buchau.

Abendstimmung auf dem Federseesteg
Abendstimmung auf dem Federseesteg

Das Federseemoor steht unter Naturschutz und ist Heimat von über 270 Vogelarten, Fledermäusen, Orchideen, Schilfen und Seerosen. Zum Federsee führt ein Holzsteg, der zunächst über Feuchwiesen, schließlich dichtes Schilf führt. Am stimmungsvollsten ist es am frühen Morgen oder kurz vor Sonnenuntergang. Am Ende des Steges befindet sich ein Bootsverleih. Dort können immer Sonntag nachmittags (vom 1. Mai bis 30. September) von 13 bis 17 Uhr Boote gemietet werden. Im Wasser des Federsees leben übrigens bis zu drei Meter große Welse.

Tipp: Unbedingt ein Fernglas mitnehmen oder eine Führung mit einem Mitarbeiter des NABU Naturschutzzentrums  machen. Wer sich für Geschichte interessiert sollte unbedingt das Federseemuseum und die Prähistorischen Pfahlbauten – UNESCO-Welterbe, besuchen.

Mystische Stimmung am Federsee
Mystische Stimmung am Federsee

Zum Tagesabschluss lässt es sich wunderbar in den Adelindis-Thermen entspannen. Das Thermalbad hat bis 22 Uhr geöffnet. Die beiden großen Außenbecken laden zum wohligen Badegenuss unter freiem Sternenhimmel ein.

Übernachten: Mein Tipp: Ein Zimmer im Kurzentrum Gesundheits-Bad Buchau am Federsee buchen. Die Zimmer haben ein ganz besonderes Highlight: Einen dimmbaren Wolkenhimmel über dem Bett, Übernachtung mit Frühstück ab 59 Euro/Person, inklusive freier Eintritt in die Adelindis-Therme mit Sauna, Wassergymnastik, Eventsauna (immer jeden letzten Freitag im Monat)

Aquajogging und Klangschalenmeditation 

Aquajogging habe ich bisher immer ein bisschen belächelt. Bis, ja bis zu diesem Sonntagmorgen als ich mit meinen Kollegen in das Therapiebecken der Sonnenhof-Therme in Bad Saulgau stieg. Das Wasser der Sonnenhof-Therme ist schwefelhaltig und riecht entsprechend nach Schwefelwasserstoff. Viele Besucher schwören auf das Thermalwasser und nehmen eine weite Anreise in Kauf. Beim Aquajogging brachte uns die Therapeutin ganz schön auf Trab. Mann, das war vielleicht anstrengend. Aber tat so gut! Anschließend war die Klangschalenmeditation genau richtig um mich zu erden und zur Ruhe zu kommen. Wer Mühe hat abzuschalten, dem empfehle ich, eine solche Klangschalenmeditation zu buchen. Ich war innerhalb kurzer Zeit so entspannt, dass ich tatsächlich wegdämmerte.

Kochen wie eine schwäbische Hausfrau

Mary Gelder weiß was schmeckt und wie's gelingt
Mary Gelder weiß was schmeckt und wie’s gelingt

Zum Abschluss unserer Reise durften wir unter Anleitung von Gästeführerin Mary Gelder in Bad Saulgau kochen. Und nein, wir kochten keine Schwäbischen Käsespätzle, sondern Alemannische Käsespätzle. Dazu gab’s Backofenrösti, Salat und eine leckere Schwäbische Apfel-Quark-Speise. Spaß hat’s gemacht und vor allem wunderbar gemundet! Danke Mary Gelder für die vielen Informationen zum Kochen und was eine echte schwäbische Hausfrau ausmacht.

Oberschwaben ist auf jeden Fall eine Reise wert. Ich habe eine facettenreiche Landschaft, gute Gastronomie und vor allem wunderbare Möglichkeiten zur Entspannung kennengelernt. Der neue Bäderradweg bietet auf 250 Kilometern viele Möglichkeiten. Man kann auf fünf Etappen die gesamte Strecke von Überlingen bis Bad Wörishofen radeln oder plant ganz individuell seine bevorzugte Strecke. Am entspanntesten radelt es sich mit einem E-Bike, denn es gibt immer wieder Höhenmeter zu überwinden. Dafür wartet abends im Etappenort immer ein Thermalbad zum Relaxen. Der Bäderradweg richtet sich vor allem an Radler, die keine Kilometer bolzen, sondern es gemütlich angehen lassen und sich Zeit nehmen, Landschaft und Kultur zu genießen.

Infos zum Bäderradweg und zur Schwäbischen Bäderstraße.

Wer lieber wandert als Rad fährt, findet mit der Wandertrilogie Allgäu drei Glückswege, die das Wanderherz höher schlagen lassen. Die Wiesengänger Route mit 387 Kilometern auf leichten Wegen durch das Hügelland im Nordosten des Allgäus, die Wasserläufer Route mit 377 Kilometern durch die Voralpenlandschaft und die Himmelsstürmer Route mit 338 Kilometern für sportlich ambitionierte Wanderer, die die schroffe Allgäuer Gebirgswelt entdecken möchten.

Informationen Wandertrilogie Allgäu 

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