Mit dem E-Bike auf der Via Claudia über die Alpen – Teil 4

Frisch gestärkt nach einem leckeren Frühstück lasse ich mir einen frisch geladenen Akku an der Rezeption des Hotel Fernsteinsee geben. Ich hole mein E-Bike aus dem Schuppen, schnalle die Packtaschen auf den Gepäckträger und setze den Akku ein. Gut nur, dass ich vor Abfahrt den Ladezustand prüfe. Der angeblich voll aufgeladene Akku zeigt nämlich nur 2 Punkte an!  An der Rezeption Kopfschütteln, “man wisse von nichts”. Hm. Ich verlange meinen anderen Akku zurück. Der ist zwar auch nicht voll aufgeladen, zeigt allerding 3 Punkte an. Das sollte hoffentlich reichen, oder?

In der Morgenfrische radle durch das wunderschöne Gurgltal, das sich wie eine Diva im Dornröschenschlaf satt und grün in die Gletscherlandschaft schmiegt. Ich schnuppere das frisch gemähte Heu, dessen Duft das ganze Tal erfüllt. Überall am Wegesrand stehen unzählige dieser kleinen Heuhütten.

Beeindruckend ist die “Knappenwelt” in Tarrenz. Das Freilichtmuseum zeigt ein authentische Bergbauerndorf mit Schaustollen, die die Geschichte des Tiroler Bergbaus lebendig werden lässt. Eindrucksvoll ist die neue Ausstellung “Die Heilerin vom Strader Wald”. Mit einer aufwändigen Multimedia-Darstellung wird die faszinierende Geschichte eines 2008 entdeckten Frauenskeletts aus dem 30-Jährigen Krieg nachgezeichnet.

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In Zams kehre ich im historischen Postgasthaus “Gemse” bei Seppl Haueis ein, den hier die Einheimischen alle nur liebevoll “Der Haueis” nennen. Die Geschichte reicht bis weit vor die Römerzeit zurück. Erstmals wurde das Haus 726 n. Christus erwähnt. Es diente Handelsreisenden, die auf der Via Claudia unterwegs waren als Herberge und Pferdewechselstation. Heute suchen oft Minister und Manager Unterschlupf im Haueis, die Seppls hervorragende Küche zu schätzen wissen. Wer beim Haueis einkehrt, erhält ganz selbstverständlich das “wertvollste, das unser Land zu bieten hat”, wie es Seppl Hauseis sagt – echtes, frisches Tiroler Quellwasser mit 23,7 mg reinem Magnesium. Hungrigen Via Claudia Radlern wie mir serviert Seppl Haueis Käspressknödel mit Kürbiskompott. Achwieistdaslecker!

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Der Abschnitt zwischen Landeck und Fließ ist einer der interessantesten der Via Claudia. Um die Fließer Platte ist sie im ursprünglichen Zustand erhalten. Der steile Anstieg auf der in den Fels gehauenen Straße weist zahlreiche Spurrillen aus der Römerzeit auf. Der Weg ist jedoch nur mit Kondition und einem geländegängigen Rad zu meistern. Wegen der Felsenstufen ist dieser Abschnitt mit dem E-Bike nicht einmal schiebend zu bewältigen.

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Ein Abstecher über die alternative Route durch das Inntal hinauf nach Fließ lohnt allemal: Das Archäologische Museum besitzt eine beeindruckende Sammlung unzähliger Funde eines eiszeitlichen Brandopferplatzes, außerdem ein Dokumentationszentrum über die Via Claudia.

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In Pfunds endet meine Tagestour, ich lade den Akku und tanke neue Energie bei einer leckeren Pizza.

Graffiti-bcmDie Via Claudia folgt dem Lauf des Inns. In einer neuen Radunterführung ist ein Graffiti-Künstler zu Gange. Tony Landeka sprüht im Auftrag der Via Claudia ARGE und hat eindrucksvolle Kunstwerke geschaffen.

Altfinstermuenz-bcmAn der engsten Stelle ragt eine Holzbrücke über den Fluss. Wie eine gewaltige Festung aus Stein bäumt sich mir eine Wand aus Fels und Stein entgegen. Wie ein Adlernest hängt Altfinstermünz am Fels. Die ehemalige Festung und Zollstation trägt ihren Namen mit Recht: “Mintsja”, heißt “bedrohlich emporragender Fels”. Oben klebt die Reschenpassstraße am Fels, winzig wie ein Spielzeug.

Für mich als Via Claudia Radler bedeutet Altfinstermünz vorerst das Ende der Via Claudia. Die alte Trasse ist wegen akuter Steinschlaggefahr nicht mehr befahrbar. Mit dem Radshuttle lasse ich mich bis Nauders fahren.

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In Nauders liegt spürbar der Süden in der Luft. Der Radweg führt durch ein alpines Hochtal bis zur österreichisch-italienischen Grenze. Eine italienische Flagge weht einsam im Wind. In den Büros liegen Bücher und Zolldokumente. Als wären die Beamten nur kurz in die Mittagspause. Doch die Gebäude sind seit Jahren geschlossen. Sogar die Computer stehen noch dort.

Reschensee-E-Bike

Über die Westroute, dem Vinschgerradweg erreiche ich den  Reschensee. In der Ferne sehe ich den Kirchturm des versunkenen Dorfes Graun aus dem Wasser ragen. Erinnerungen werden wach. Hier war ich vor vielen Jahren einmal mit meinen Eltern.

Ruhige Nebenstraßen, gut ausgebaute Radwege entlang üppiger Obstwiesen bringen mich nach Burgeis und weiter in die kleinste Stadt Südtirols, nach Glurns. Majestätisch reckt sich in der Ferne der schneebedeckte Ortler himmelwärts. Schlösser, Burgen und romanische Kirchen säumen die Strecke, die für das Fahren mit dem E-Bike wie geschaffen sind. Der Akku ist geladen, Meran zum Greifen nah. Einfach Weiterradeln, den E-Motor surren und sich von der wunderbaren Landschaft berauschen lassen. Die Alpenüberquerung ist geglückt, die Sinne beflügelt, am liebsten will ich weiter bis nach Venedig radeln.

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Radreiseführer Via Claudia Via Claudia Augusta: Von der Donau über die Alpen an die Adria

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