Free Solo im Yosemite von Mark Synnott

Free Solo

Free Solo. Dem Wort liegt etwas Berauschendes inne. Also griff ich zu und begann zu lesen. Und das, obwohl ich mich überhaupt nicht für den Klettersport interessiere. So wenig er mich interessiert, so stark bin ich davon fasziniert. Wie schafft man das, ohne Seil und Sicherung eine senkrechte, 900 Meter hohe Granitwand im Yosemite Nationalpark zu besteigen?

Spätestens seit „Free Solo“ den Oscar 2019 für den besten Dokumentarfilm einheimste, ist der Name El Capitan und Alex Honnold auch außerhalb der Kletterszene ein Begriff. Nun also gibt es neben dem preisgekrönten Film das Buch „Free Solo im Yosemite“, in dem es ebenfalls um den amerikanischen Profi-Extremkletterer Alex Honnold geht, dem als erster die Besteigung des El Capitan ohne Seil und Sicherung geglückt ist – eine einmalige, schier unglaubliche Meisterleistung in der Geschichte des Kletterns.

Kurz zur Erläuterung für alle diejenigen, die El Capitan hauptsächlich als OS X10.11, einem veralteten Betriebssystem von Apple, kennen: Der Yosemite Nationalpark im US-amerikanischen Staat Colorado ist das Paradies der Felskletterer. Unter ihnen gibt es eine Szene, die die Felsen „Free Solo“ klettern: allein und ohne jegliche Sicherung.
Der Film „Free Solo“ erzählt die Geschichte der Besteigung des El Capitan, einer schier 1000 Meter hohen, senkrechten Granitwand im Yosemite Nationalpark durch Alex Honnold. Ihm gelang die Besteigung Free Solo im Jahr 2017.

Das Buch von Mark Synnott trägt ebenfalls den Titel „Free Solo“ mit dem Zusatz „im Yosemite“. Als zweite Überschrift: „Alex Honnolds unglaubliche Begehung am El Capitan“. Auf dem Rückumschlag lese ich:

Mark Synnott begleitet in diesem Buch den jungen Kletterer auf seiner Mission diese Route im Free-Solo-Stil zu begehen. Dabei zeichnet er ein feinfühliges Portrait dieses Ausnahmesportlers und öffnet Türen für ein tieferes Verständnis des Klettersports…“

Autor Mark Synnott ist selbst Bergsteiger, Kletterer und Reporter, der auf zahlreichen Expeditionen rund um den Globus dabei war, unter anderem auch mit Alex Honnold.

Es ist ein Buch über den Ausnahmeathleten und dessen Vorhaben, den El Capitan alleine, ohne jegliche Sicherung zu erklimmen, sozusagen das Pendent zum Film. Dachte ich. Denn so steht es ja auf dem Buchdeckel.

Das Problem: Der Inhalt ist ein anderer, als der, den der Buchtitel vorgibt und was der Klappentext verspricht.

Klettern und Kiffen – die Geschichte des Free Climbing in Amerika

Mark Synnott hat ein akribisch recherchiertes, detailliertes, faszinierendes Buch über die Geschichte des Kletterns geschrieben. Er erzählt von den frühen Helden, die als Freigeister illegal im Yosemite Nationalpark lebten, kifften und kletterten. Er berichet, wie sich die Sportart entwickelte, welche Helden gefeiert wurden und welche tragischen Unfälle es zu beklagen gab. Er erzählt von Expeditionen, an denen er selber teilnahm, beschönigt nichts, schildert Konflikte, Kämpfe und Details, die der Leser nirgends erfahren hätte.

Das Buch beginnt atemberaubend – so wie es sich für ein Buch mit diesem Titel gehört. Mit Alex Honnold in der Wand des El Capitan und einem Sturz. Es war ein Vorbereitungstraining und Honnold trug einen Klettergurt, sonst gäbe es heute weder das Buch noch den Film.

Auf Seite 22 stutzt der Leser. Denn mit einem Mal erzählt Mark Synnott über seine Jugendjahre. Und der Leser denkt, das interessiert mich doch gar nicht. Ich bin als Leser verärgert. Ich wollte über Alex lesen, nicht über Mark Synnott. Wen interessiert denn Mark Synnott, dachte ich, mich jedenfalls nicht, ich wusste ja nicht einmal, wer er ist.

Honnold zieht die Hosen runter

Synnott erzählt zwar die Geschichte des Alex Honnold, verwebt sie mit seiner eigenen Geschichte, die er um Alex Honnold strickt. Er verliert sich in Details übers Klettern und Weggefährten, die dann doch für einen, der sich nicht in der Welt der Kletterer auskennt, nicht mehr interessant ist.

Ich habe einige Passagen überblättert und nicht gelesen, weil sie mir zu sehr abdrifteten in Synnotts eigene Abenteuer. Interessant ist das Buch, wenn der Autor ausführlich Honnolds Training beschreibt, seine akkribische Vorbereitungen am Fels und den Ausnahmekletterer von seiner verwundbaren Seite zeigt. Honnold ist nicht der Superman wenn er, vor einer schwierigen Kletterstelle seine Hose runterzieht, um sich nicht in die Hosen zu scheißen. Der Leser erlebt hautnah jede Regung, jeden Griff und jeden Gefühlsausbruch mit. Was natürlich zur Frage führt, woher Synnott das alles wissen konnte und ob man das so wortwörtlich glauben darf. Tatsächlich gehörte Synnott zum engen Kreis jener, die Alex Honnold bei seiner Vorbereitung zum ultimativen Free Solo am El Capitan begleiteten. Am Ende des Buches folgen 5 Seiten mit Hinweisen zu Quellen und man kann davon ausgehen, dass Synnott hier einen ordentlichen Job gemacht hat.

Der Titel wird dem Inhalt nicht gerecht

Was er über den eigentlichen Höhepunkt, nämlich Alex Honnolds Free Solo am El Capitan schreibt, füllt nur die letzten Seiten des Buches.
Der Titel des Buches wird dem Inhalt nicht gerecht, der Leser erwartet etwas anderes. Er hätte zumindest im Klappentext darauf hingewiesen werden müssen, dass es hier um viel mehr geht, als um das Free Solo des Alex Honnold.

Der Originaltitel lautet: „The impossible climb – Alex Honnold, El Capitan and the climbing life“ – was den Inhalt des Buches tatsächlich trifft. Auch im Klappentext ist zu lesen, dass der Autor die Geschichte des Kletterns im Yosemite aufgreift, Erlebnisse aus seinem eigenen Leben als Bergsteiger und Kletterer schildert und Alex Honnold als roten Faden nutzt, um den er die Geschichte webt. Weshalb der englische Titel und Klappentext nicht einfach übernommen wurden, bleibt rätselhaft. Vielleicht verspricht sich der Verlag dadurch mehr Aufmerksamkeit und Buchverkäufe. Allerdings ist es keine gute Idee, Leser zu ködern, indem wesentliche Teile des Buches auf dem Klappentext weggelassen werden, die zum Inhalt gehören.

Fazit

Ein detailliertes Buch über die Geschichte des Kletterns, erzählt von einem Insider, das einen spannenden Einblick in die Welt der Extremkletterer gibt. Ich bin jedenfalls nun sehr gespannt auf den Film Free Solo, den ich mir demnächst ansehen werde.

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