Wenn wir uns ein bestimmtes Produkt kaufen – sei es ein Computer, ein Auto, ein Getränk oder ein Parfüm, kaufen wir nicht eine bestimmte Marke, sondern eine Philosophie, ein Lebensgefühl. Je stärker uns die Marke ein solches Gefühl vermitteln kann, desto erfolgreicher ist sie, weil sie von vielen Menschen gekauft wird, die eben dieses Gefühl erleben wollen. Je erfolgreicher das Produkt ist, desto eher erhält es einen anderen Stellenwert. Es wird zu einem Lebensstil. Warum ziehen wir eine Marke der anderen vor? Warum muss es ein Joggingschuh von Nike sein und nicht von Asics, Puma oder Adidas? Wahrscheinlich wurden alle drei Schuhe in den gleichen Sweatshops in China gefertigt, bestehen aus dem gleichen Material und kosten alle etwa den selben Preis. Warum gehe ich zu Starbucks und nicht zu Tschibo? Warum arbeite ich mit einem Apple Computer und nicht mit einem Sony Vaio oder Dell? Weshalb habe ich ein iphone (ich habe selber keines), einen iPod, fahre ich einen BMW und nicht einen Mercedes oder Audi? Was steckt dahinter, dass ich mich für ein bestimmtes Produkt entscheide?
Es ist die Geschichte, die diese Marke erzählt, das Lebensgefühl, das vermittelt wird. Das Produkt ist dabei nur nebensächlich. Die Hersteller verkaufen nicht mehr die Qualität ihres Produktes, sondern wie es sich anfühlt, das Produkt zu benutzen, zu tragen oder zu geniessen. Vor Jahren sagte einmal jemand zu mir: „Du bist doch eine kreative Person, du musst dir einen Mac zulegen.“ Damals dachte ich, dass es keine Rolle spielt, welchen Computer ich benutze, schließlich bin ich diejenige die kreativ ist – der Computer ist nur ein Hilfsmittel. Inzwischen bin ich dem Lebensgefühl „MAC“ erlegen. Natürlich brauche ich einen Mac, denn ich bin eine kreative Person. Wie konnte ich nur so lange mit einem Windows-Rechner arbeiten, der bremst mich ja aus in meiner Kreativität.
Marken bestimmen unser Lebensgefühl! Nur weil eine Firma mir geschickt suggeriert, dass ich ohne ihr Parfüm, ohne ihre Jeans, ohne ihr Bier, ohne ihre Uhr, Auto was auch immer – weniger attraktiv, weniger sexy, weniger erfolgreich bin. Die Marke macht das Produkt – die Marke macht mich zu dem, was ich gerne sein möchte. Wir identifizieren uns mit Marken, um etwas darzustellen. Und vergessen darüber unsere Einzigartigkeit. Wir lassen uns plötzlich von einer Marke vorschreiben, wie wir uns zu fühlen haben. Vor Jahren war es trendy, Puma Turnschuhe zu tragen. Wer trägt heute noch Puma? Aber wegen Nike-Turnschuhen bringen sich sogar Leute um!
Wie oft ertappe ich mich bei dem Gedanken, wenn ich dieses oder jenes hätte, dann… Ja was dann? Meistens erkenne ich mit dem Kauf oder Besitz eines bestimmten Produkts, dass es mir nicht besser geht. Mir kommt eine Geschichte in den Sinn, die ein eingefleischter Harley-Davidson-Fan erzählt hat. Seit er als Jugendlicher den Film „Easy Rider“ sah, wollte er eine Harley-Davidson besitzen. Eine Harley, das ist nicht irgendein Motorrad. Eine Harley ist ein Lebensgefühl. Eine Harley ist das Synonym für Freiheit und Unabhängigkeit. Also hat sich der Typ so lange sein Geld zusammengespart, bis er eine Harley hatte und seinen Traum von der Route 66 live erlebte. Aber wie oft kannst du die Route 66 rauf – und runterfahren? Irgendwann ist auch das nicht mehr das pralle Leben. Vor wenigen Wochen stand der Harley Typ in einer Gemeinde und erzählte aus seinem Leben. Wie er etwas in seinem Leben fand, das viel mehr Bedeutung hat, als eine Harley-Davidson. Das viel mehr Kraft hat, als ein Dreh am Gasgriff und ein donnernder Auspuff. Sein Leben lang hat er sich auf die Harley gesetzt, um echtes Leben zu spüren und Freiheit zu erfahren. Und blieb am Ende doch leer, weil er spürte, da muss es doch noch mehr geben als das, was mir die Harley zu bieten hat.
Ich muss hier eines einfügen: Ich bin früher selber Motorrad gefahren. Leider hatte ich keine Harley, dazu hat das Geld nicht gereicht. Aber ich war begeisterte Motorradfahrerin und genoss das Gefühl, auf dem Motorrad durch die Lande zu fahren. Und ich habe auch nichts gegen Marken. Ich schreibe hier an einem Apple Computer, ich trage Replay Jeans und fahre einen BMW. Aber ich darf es nicht zulassen, dass die Marke zu meinem Lebensstil wird. Dass die Produkte etwas über mich als Mensch aussagen. Wenn man mich nur durch die Wahl meiner Marken definiert, bin ich wie eine der Hollywood-Film-Städte: eine tolle Fassade, die dahinter von ein paar Stützen gehalten wird. Marken erzählen Geschichten und vermitteln uns damit ein Lebensgefühl, aber sie können uns keinen Lebensinhalt bieten.
Ich erinnere mich, wie ich einmal in Kanada auf dem Highway nach Toronto zum Airport gefahren bin. Je näher man an den Flughafen kommt, desto riesiger werden den Werbeplakate. Auf einem schwarzen Plakat war nur eine weiße Schwinge abgebildet. Kein Namen, kein Bild, nichts. Nur die Schwinge. Aber ich wusste sofort, was es bedeutet: „Just do it“. Nike. Was für eine Kraft, die von diesem Logo ausgeht. Vor 2000 Jahren lebte ein Mann, der um die Kraft von Geschichten wusste. Er brauchte keine Marke und kein Logo. Sein Wort genügte. Und noch immer ist es heute lebendig. So lebendig, dass selbst der Harley-Davidson-Typ erkannte: Das ist es, das, was ich hier finde ist echtes Leben. Ein Leben jenseits von Marken und Logos. Ihn interessiert nicht, was wir tragen, sondern wem wir glauben. Und denen, die an ihn glauben, hält er ein Versprechen parat: „Ich bin das Licht für die Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht mehr in der Dunkelheit umherirren, sondern folgt dem Licht, das ihn zum Leben führt.“ Johannes 8, 12 – Die Bibel.