Die Ruhe vor dem Sturm

Ich kanns noch gar nicht glauben. In ungefaehr einer Stunde trifft er ein. Dabei ist hier alles so friedlich. Blauer Himmel, sogar Sonnenschein. Aber er kommt, der Northeaster. Und Leute, ich kann euch sagen, ein Northeaster, das ist ein ganz schlimmer Wintersturm. Die Schneewand zieht direkt auf unsere Gegend zu und soll in den naechsten Stunden mehr als 20 Zentimeter Schnee auf die Strassen schuetten. Es ist nicht mein erster Northeaster und ich kann euch sagen, die Dinger habens wirklich in sich. Ich bin sehr gespannt, was da auf mich zukommt und vor allem, wie es hier morgen aussieht. Schliesslich muss ich so gegen Mittag gen Chicago fahren. Mal sehen, ob mein Flug ueberhaupt geht. Morgen gibts nochmal ein Update bevor ich mich auf den Heimweg gen Osten mache.

Tell me your story

Gestern Abend fuhr ich waehrend eines Schneesturms nach Hause. Was fuer ein Abenteuer. Es hatte ueberall Schneeverwehungen und der Wind blies den Schnee durch die Luft, es war als fahre man durch Nebel. Und es hat was:mit 80 Sachen durch frischen Schnee zu fahren. Waehrend alle Autofahrer in und um Chicago wahrscheinlich ueber das Sauwetter fluchten, sass ich im Auto und jubilierte.

Ok, nun zu meinem Job hier. In den vergangenen zwei Tagen konnte ich einige Interviews mit Leuten fuehren, die durch CARS ein Auto geschenkt bekamen oder es dort reparieren lassen. Ich sprach mit Frauen, die von ihren Ehemaennern missbraucht wurden und diese dann verliessen ohne einen Pfennig Geld und einen Ort wo sie schlafen koennen, Familien, die ein eigenes Geschaeft hatten und alles verloren haben und von null anfangen mussten, eine Frau, deren Haus niederbrannte und die alles verloren hat. Unglaublich wie viel Not es gibt. Und sie alle waren so dankbar fuer Menschen, die ihnen in dieser Zeit geholfen haben. Wer hier kein Auto hat, der ist echt aufgeschmissen. Ohne Auto bekommt man keinen Job, kann die Kinder nicht zum Arzt fahren oder nicht einmal einkaufen. Deshalb sind Menschen hier auf Autos angewiesen. Es gibt keine Busse oder Strassenbahnen. Wenn jemand ein Auto geschenkt bekommt, ist das meistens nur ein kleiner Part. Denn die Not ist gross. Es fehlt irgendwie an allem. Und ich bin sehr erstaunt, wie gut das System bei Willow funktioniert. Trotz dass es eine irre grosse Gemeinde ist mit 20 000 Gottesdienstbesuchern die jedes Wochenende kommen. Alle mit denen ich sprach sagten mir, dass sie so dankbar waren, dass sich Leute um sie gekuemmert haben. Ich denke, das wird die grosse Herausforderung fuer Gemeinden in Deutschland werden. Unsere sozialen Noete werden in den naechsten Jahren explodieren. Die Frage ist, sind die Gemeinden bereit, sich um die Noete zu kuemmern. Jetzt ist die Zeit, solche Arbeitszweige aufzubauen, nicht erst, wenn man sich vor lauter Anfragen nicht mehr retten kann. Als ich gestern und heute mir die Geschichten anhoerte und wie dankbar auch die Leute waren, dass ich als Journalistin dafuer sorge, dass sie verbreitet werden, wurde mir klar, genau das ist es , was ich tun moechte: Sprachrohr sein, um diese Geschichten zu erzaehlen. Denn es sind Geschichten, die Hoffnung machen, dass wir diese Welt in eine bessere Welt verwandeln koennen , wenn wir nur die Worte Jesu tatsaechlich umsetzen. Dass ich auf diese Weise Teil davon sein darf, das begeistert mich und zeigt mir, wie wichtig es ist, dass ich das mache.

American Aldi

Come hungry – leave happy so lautet der Slogan von iHop – International House of Pancakes. Hungrig bin ich gekommen und ziemlich „stuffed“ wieder gegangen. Ein Eieromelett in XXL-Format mit Toast.

Hier gibt es uebrigens auch Aldi. Als ich das ganz begeistert feststellte, guckte man mich entgeistert an. Bei Aldi, so erfuhr ich, gibt es nur ganz billige und miese Qualitaet, also eine Art Arme-Leute-Laden. Aha. Auf der Heimfahrt von CARS musste ich das wissen. Ich fuhr also bei Aldi vorbei. Der Laden war gaehnend leer. Irgendwie erinnerte es mich an meine Kindheit. Wir kauften immer bei Aldi ein. Ich musste dann immer in der Schlange vor der Kasse stehen. Fuer ein Kind dauerte das immer eine Ewigkeit. Ach ja, der Laden war damals auch ein bisschen schmuddelig und es gab immer die Kartons, die sich hinter der Kassenzone stapelten. Der Amerikanische Aldi erinnerte mich also sehr an den Aldi meiner Kindheit, ausser dass eben die Leute fehlten. Ich bin mir sicher, dass in 15 Jahren der Aldi Stern auch in Amerika leuchten wird und sich montags die Leute vor der Tuere draengen. Es dauert eben immer ein bisschen laenger bis die Dinge den umgekehrten Weg ueber den Ozean finden.

Heute ist es uebrigens waermer, aber da es sehr stark windet, fuehlt es sich fast noch kaelter an. Las ich heute morgen in der Zeitung unter Wetter: Its getting warmer, but its still darn cold out there.

Minus 22 Grad

Gestern morgen sind mir die Nasenhaerchen eingefroren!Minus 22 Grad. Eigentlich ist es hier ja noch recht warm.Wenn man bedenkt,dass es in Minnesota minus 60 Grad ! hat. Im Fernsehen zeigte sie, wie jemand Seifenblasen blies, die sofort in der Luft gefrierten. Nachdem ich den Kaelteschock ueberwand als ich aus dem Haus trat, kratzte ich das Auto frei und fuhr tanken. Ich entsprach dem typischen Bild einer Frau, die nicht viel von Autos versteht, denn bis ich endlich den Tankdeckel geoeffnet hatte, verging eine sehr peinlich lange Zeit. Pete begruesste mich freundlich bei CARS. Als ich ihm sagte, dass ich ein wenig draussen auf dem Platz die Autos fotografierte grinste er nur fett und meinte „8 Minutes. See you in eight minutes. Ha, dachte ich, ich bin doch keine Sissy und marschierte entschlossen los. Nach ungefaehr 15 Minuten (gefuehlten 15 Minuten) taten mir meine Fingerkuppen trotz der Handschuhe so weh, dass ich meinte, sie wuerden jeden Augenblick platzen. Als ich bibbernd und mit steifgefrorenen Haenden Petes Buero betrat grinste er wieder und rief „7 minutes. Whats wrong with you Germans, I thought your a lot tougher“.

Als ich gestern zu Hause das letzte Interview fuehrte und auf die Uhr guckte, musste ich feststellen, dass ich 14 Stunden lang ununterbrochen gearbeitet habe, mit einer kleinen Teepause zwischendrin und seit dem Fruehstueck, das aus zwei Bagel bestand, auch nichts gegessen hatte. Ich war brettfertig. Ich war bei den CARS Leuten, fuhr von dort zur Gemeinde , fuehrte dort Interviews mit Mitarbeitern von Community Care, Gary Schwammlein, fuhr wieder zurueck zu CARS und interviewte dort an die 9 Mechaniker,die dort arbeiteten, fotografierte und interviewte zuletzt noch eine Frau, die ein Auto bekam, das ihr Leben veraenderte. Und das Beste: Ich habe mich kein einziges Mal verfahren. Jetzt habe ich den Dreh raus oder wie Sandy meinte“ Oh, dann muss ich dir ja gar keine Zettel mehr schreiben, wie schade“. Sandy war gestern kurz vor Mitternacht noch so voller Adrenalin, dass sie ins Gym zum Workout fuhr. Ihr Fitness-Center ist 24 Stunden geoffnet. Ich schaffte es mit aller Kraft grade noch die Treppe hoch. So, hier hat ein neuer Tag angefangen und ich werde erstmal richtig fett amerikanisch fruehstuecken. Die Sonne scheint und draussen sind wieder minus 22 Grad. Stay tuned.

Busy Bill

Eigentlich wollte ich heute morgen in den 9 Uhr Gottesdienst. Es haette auch gereicht, waere ich unterwegs nicht irgendwie verloren gegangen. Jemand sagte mir heute „We have so many roads here, we ran out of ink when we printed a road map“. Auch die Einheimischen verfahren sich hier, will ich einfach mal so gesagt haben. Uebringes: stinknormale Strassenkreuzungen haben hier das Format des Frankfurter Kreuzes. Nur damit ihr mal so einen Eindruck davon habt, was ich meine, wenn ich von Highways spreche. Als ich endlich die Einfahrt zu Willow Creek hineinfuhr, tat sich ein blechernes Meer vor mir auf: Auto an Auto. Unglaublich. Wer hier parkt, merkt sich besser die Sektion oder wartet, bis alle weggefahren sind. Ich hatte also noch eine gute Stunde Zeit bis zu Beginn des 2. Gottesdienstes und goennte mir in Dr. B’s Cafe einen coffee. Es ist ein Erlebnis, wenn nach dem Gottesdienst die Tueren des Auditoriums geoeffnet werden und Menschen herausstroemen. Nun kann ich verstehen, dass man die Eingangshalle so grosszuegig konstruierte – anderfalls bestuende die Gefahr von Platzangst. Ich schaetze mal, dass im zweiten Gottesdienst so an die 5 000 Menschen anwesend waren. Mike Breaux predigte und erschien als Superpastor in einem Superman-Outfit. Mike ist sehr bullig und erinnert mehr an einen Football-Player als an einen Pastor. Ausserdem ist er glatzkoepfig und traegt einen Goatie. Man kann ihm stundenlang zuhoeren – er ist witzig, geistreich, versteht es, seine Predigt wirklich gut rueberzubringen. Nach dem sehr kurzweiligen Gottesdienst kann man sich in einem Gaesteraum einfinden, um dort die Pastoren zu treffen. So trat ich also unerschrocken Bill Hybels gegenueber und erklaerte ihm mein Anliegen. Das sei sehr schwierig, meinte er. Ich wollte wissen wieso. Mir war nicht ganz klar, wieso ein paar Zeilen schreiben schwierig sein soll. Er breitete seine Haende aus und meinte er habe einen solchen Stapel voller Anfragen. Aha. Dann meinte Sandy, dass ich auch Fotografin bin fuer Willow in D. Bill meinte, ich haette vielleicht mehr Glueck, wenn ich ihn in Deutschland nochmals fragen wuerde. Ok, Bill, sagte ich, ich nehme dich beim Wort. Der Arme weiss nicht , auf was er sich da eingelassen hat. Er wird auf Knien um Gnade betteln und mit Freunden ein Vorwort schreiben, denn ich werde ihm umschwirren wie eine Motte das Licht und nicht eher Ruhe geben, bis er Papier und Kugelschreiber zueckt.

Was gibt es sonst noch zu berichten? Achja, auf dem Highway 90 muss man immer Toll bezahlen, also so eine Art Wegzoll. Oft ist das so wie auf den Autobahnen in Frankreich, da gibt es solche Kaestchen, die an ein Toilettenhaeuschen erinnern, in denen Leute eingequetscht sind und grade mal noch ihren Arm bewegen koennen, um das Geld in Empfang zu nehmen. Wenn man aber von der 90 runterfaehrt, dann gibt es solche Auffangnetze, in die man dann Cash, also Muenzen reinwirft. Eine Videokamera zeichnet das alles auf. Nun ist mir schon ein paar mal passiert, dass ich eben nicht den Cash zur Hand hatte, bzw. die Muenzen so treffsicher ins Netz warf, dass einige nebendran fielen. Nun weiss ich, wieso man mich fotografiert und auch meine Fingerabdruecke nahm. Ich bin gespannt, ob ich naechsten Samstag ausreisen darf.

Stop lights and 4 Way Stop signs

Wieso nennt man hier die Ampeln eigentlich Stop lights? Geht man immer davon aus, dass die Ampel rot ist? Fast niemand hier nennt die Ampel Traffic light, alle reden sie immer von Stop light. Funny, eh. Eine andere Observation aus deutscher Sicht: hier gibt es jede Menge Strassenkreuzungen ohne Ampeln. Anstelle eines Traffic lights steht ein Stoppschild mit der Aufschrift 4 Way. Und das funktioniert dann so: wenn aus allen vier Richtungen Autos auf die Kreuzung zufahren, dann darf derjenige als erstes fahren, der als erstes auf die Kreuzung zufuhr. Und das funktioniert wirklich. Amerikaner sind nette Leute. Jedenfalls im Strassenverkehr. Ich startete ein Experiment. Ich fuhr als erste auf eine Kreuzung zu und wartete. Der andere, der nach mir kam, fuhr nicht. Stattdessen hupte er freundlich um mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich doch als erste fahren darf. Man stelle sich sowas auf deutschen Strassen vor. Das gaebe einen Jahrhundertstau. Die Amerikaner bremsen uebrigens immer, wenn ein Stopp-Schild auftaucht. Auch da, wo es gar nichts zu stoppen gibt.

Kommen wir vom Stoppen zum Shoppen. Das war ich heute naemlich. Und dank dem starken Teuro und den guenstigen Outlet Malls hier, kann man richtige Schnaeppchen landen. Hier gibt es sogar ein Bible Outlet. Bei Borders war auch auch – das ist ein Buchladen in XXL Format, aus dem ich nur schwerlich herausfand. Nicht nur wegen der Kaelte. Draussen gefrieren einem bei minus 17 Grad schier die Nasenhaerchen ein. Hier waermt man in der Regel sein Auto immer fuenf Minuten lang auf, d.h. nicht das Auto, sondern den Innenraum, bevor man losfaehrt. Hatte mich naemlich schon gewundert, weil ich so viele laufende aber herrenlose Autos rumstehen sah. Und mit einem Spruch von Walt Disney verabschiede ich mich fuer heute. „All of our dreams come true if we have the courage to persue them“. Aloha !