Mit dem E-Bike auf der Via Claudia über die Alpen Teil 2

Mit dem Flyer-E-Bike über den Fernpass

Heute steht die erste Passüberquerung an. Es geht auf der alten Fernpasstraße über den 1268 Meter hohen Fernpass. Über Nacht habe ich den Akku meines Flyer E-Bikes aufgeladen. Da ich nicht einschätzen kann, wie viel Saft ich für den Pass verbrauche, fahre ich möglichst akkuschonend im Eco-Modus oder schalte den Akku auf geraden Strecken aus. Bevor es aufwärts geht, eine letzte Erfrischung an diesem wunderbaren See.

E-Bike-Via-Claudia-GepaeckDie geschotterten Wege sind mit der Tourenradbereifung des Flyers gut zu fahren. Nur wenn der Belag ruppiger wird, lässt sich das schwere E-Bike nicht mehr so gut lenken. Der Fahrkomfort ist gut. Die aufrechte Sitzhaltung ist sehr entspannend und dank  ergonomischer Lenkergriffe sind die Radhandschuhe überflüssig.

Über E-Bikes gab es in jüngster Zeit öfters in den Medien zu lesen. Von Rahmenbrüchen, mangelhaften Bremsen und gebrochenen Lenkern reichte die Palette. Bis zum Fernpass hat sich mein Flyer als gutmütiges und treues Gefährt gezeigt. Es erinnerte mich an ein Pferd, das ich während eines Ranchaufenthaltes in Kanada ritt. Es war das gutmütigste Ross im ganzen Stall. Die erfahrenen Reiter saßen auf den Cowboypferden, während ich auf dem treudoofen Pony hockte. Der Flyer rollt und hopst spurtreu über den Schotter, aber bislang hat sich die Strecke auch als durchaus fahrbar herausgestellt.

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Photo Credit: Christoph Tschaikner

So locker und entspannt radle ich meiner ersten Passüberquerung entgegen.

Leo und Mel Graafsma aus Holland auf dem Weg nach Rom
Leo und Mel Graafsma aus Holland auf dem Weg nach Rom

Das Schöne am Reisen sind die Begegnungen mit anderen Menschen, die ebenfalls unterwegs sind. Leo und Mel Graafsma aus Holland sind seit sechs Jahren auf Pilgerschaft. Die beiden 65-Jährigen legen jedes Jahr weitere Etappen zurück, um den gesamten Weg von ihrem Heimatort bis nach Rom zu gehen. Dieses Jahr sind sie bereits seit vier Wochen unterwegs. Übernachtet wird auf Zeltplätzen. Nächstes Jahr wollen sie ihren Pilgerweg bis Rom vollenden. Den Fern- und Reschenpass überbrücken sie mit dem Bus. Rund 30 Kilogramm ziehen sie in ihrem Handwagen mit. „Das ist zu schwer, um es über die Pässe zu ziehen“, sagt Leo Graafsma.

Auffahrt-FernpassPhoto Credit: Christoph Tschaikner

Zu Beginn verläuft die alte Fernpassstraße auf einem relativ breiten Forstweg. Da ich nicht weiß, wie lange und wie steil der Pass ist, fahre ich im Eco-Modus, d.h. ich muss ganz schön treten, hänge jedoch mit meinem schweren Ross ganz locker Touren- und Mountainbiker ohne Gepäck ab.

Fernpass-KehrenPhoto Credit: Christoph Tschaikner

Vor der Passhöhe geht es über ausgesetzte Kehren. Jetzt wird es zusehends schwieriger, den Flyer unter Kontrolle zu halten. Das schwere E-Bike lässt sich auf dem losen Schotter in den steilen Rampen nicht gut manövrieren. Da braucht es nun doch Kraft und Geschick, damit man mit dem schweren Rad nicht ausrutscht und hinfällt. Wer als Mountainbiker oder Tourenradler Erfahrung im Befahren von Schotterstraßen hat, wird dieses Wegstück problemlos meistern. E-Biker, die nur Asphaltstraßen gewohnt sind, könnten hier an ihre Grenzen stoßen.

Fernpass-Kehren-2Photo Credit: Christoph Tschaikner

Immer noch im E-Modus, hin und wieder kurz im Standard-Modus geht es erstaunlich locker den Berg hinauf. Fernpass mit E-BikeDas Flyer-E-Bike im Höhenrausch

Fernpass-Steinbruch„Gott sei Dank“, „Grazie a Dia“, „Thank God“ steht auf einer Tafel auf dem 1268 Meter hohen Fernpass. Seit Menschen sich auf Reisen begeben, wurden auf den Anhöhen Heiligtümer errichtet, um den Beistand der Götter für eine gute Weiterreise zu erflehen. Oben angekommen bin ich, aber das ist ja erst die halbe Strecke, denn nun muss ich den Pass auch wieder hinunterfahren. Und das stellt sich als nicht ganz so einfach heraus. Bis zur Passhöhe ist alles ohne große Schwierigkeiten verlaufen, doch nun kann ich erahnen, was da auf mich zukommt: Eine alpine Straße, ein Felsenpfad, seit Urzeiten von Eroberern, Händlern und Soldaten begangen, auf dem es immer wieder schlimme Unfälle durch Steinschläge und Lawinenabgänge gab.

Fernpass-StegZunächst ging es auf einer steilen Schotterstraße in engen Serpentinen abwärts. Wer einmal auf Schotter gebremst hat, weiß, wie heimtückisch das ist. Hier ist nun wirklich eine ganze Portion Fahrgeschick auf dem E-Bike gefordert.

Eine Warnung und eine heikle Situation bei der Abfahrt 

Ein Schild warnt: „Mountainbike-Schiebestrecke“. Schiebestrecke? Ach was, das ist ein Mountainbike-Trail, der jeden Biker glücklich macht! Aber ob das auch mit dem E-Bike zu schaffen ist? Ich lasse es rollen. Der Flyer rumpelt über die Felskanten. Es rüttelt und schüttelt mich durch, das Bike rattert wie verrückt. Hoffentlich springt der Akku nicht aus seiner Halterung! Ich steige in die Pedalen und lenke den Flyer durch das Meer der Felskanten. Die Abfahrt fordert volle Konzentration, macht gleichzeitig unheimlich Spaß. Bis es passiert: Die Lenkertasche wird aus ihrer Verankerung gehebelt und segelt zu Boden, direkt vor mein Vorderrad. Später stellt sich heraus, dass die Lenkertasche nicht richtig eingerastet war – eine Unaufmerksamkeit des Radverleihers, der mir den Flyer komplett mit Lenkertasche und Packtaschen ausgerüstet hat. Eigentlich ist es mein Fehler, denn ich habe die Lenkertasche nicht überprüft, bzw. mir ist nicht aufgefallen, dass sie nicht eingerastet war.

FernsteinpassGeistesgegenwärtig bremse ich den Flyer ab, bevor ich samt Rad einen unsanften Abgang über meine abgeworfene Lenkertasche mache. Puh! Grade noch einmal Glück gehabt. Zürnen die Götter, weil ich ihnen auf der Passhöhe keinen Tribut zollte?

Der Schreck sitzt in den Gliedern, mein Abfahrtsrausch ist jäh beendet. Ich klicke die Lenkertasche ein und schiebe das Bike. Nach 100 Metern sind die schlimmsten Felskanten überwunden. Ich sattle wieder auf und rolle weiter talabwärts.

Bald nach der Schiebestrecke habe ich das Ende des Fernpasses erreicht. Der Flyer hat die Überquerung tatsächlich gepackt! Ich bin stolz – auf das Flyer E-Bike und auf meine Leistung. Den ersten Pass der Via Claudia Reise haben wir erfolgreich gemeistert. Und der Akku, der war noch gut bis zur Hälfte gefüllt!

Lesen Sie den dritten Teil – ein märchenhafter Morgen am Fernsteinsee.

Zum ersten Teil der Via Claudia Alpenüberquerung  geht es hier.

Reiseführer Via Claudia Augusta: Von der Donau über die Alpen an die Adria

Ein Gedanke zu „Mit dem E-Bike auf der Via Claudia über die Alpen Teil 2“

  1. Die Fotos sind absolut klasse, da bekommt man sofort Lust auf eine Radtour. :D Was mich wirklich überrascht, ist der halbvolle Akku am Ende. Hätte ich nach so einer anspruchsvollen Tour nicht gedacht. VG

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