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Getting Lost – unter Klapperschlangen und wilden Büffeln

„Lass dir auf jeden Fall von den Parkrangern Gaitors (Schutzgamaschen) geben. Wegen der Klapperschlangen. Und pass auf, dass du genügend Zeit einplanst und vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück bist, sonst findest du den Weg nicht mehr“.

Soweit der Ratschlag meines Kollegen. Der hatte gut reden. Er ist den 70-Mile-Butte im Grasslands National Park auch nicht alleine gewandert.

Mutterseelenallein stehe ich da und starre auf das Schild. Klapperschlangen! Ob ich mir das wirklich zumuten soll? Mit wenigen Handgriffen sind die Gaitors an den Schienbeinen befestigt. Sie sind aus festem Zeltstoff. Ob sie wirklich den Biss einer Klapperschlange abhalten? Ich will es lieber nicht herausfinden.

Es ist heiß an diesem Spätsommernachmittag im August als ich mich aufmache, um den 70-Mile-Butte, einen rund fünf Kilometer langen Rundweg, der zu einem der schönsten Aussichtspunkte im Grasslands National Park führt, zu erwandern. Die Prärie ist erfüllt von Zirpen der Grillen. Plötzlich ein Geräusch, das mich zusammenfahren lässt. Mein Herz rast, mir stockt der Atem. Ein Schwarm Rebhühner, flattert aufgeregt aus dem hohen Gras davon. Ich atme tief durch und gehe weiter. Wer sich wohl mehr erschreckt hat? Die Vögel oder ich?

Der Trail ist mit gelben Fähnchen markiert und gut erkennbar. Ein Klackern lässt mich erneut zusammenzucken. Eine Klapperschlange. Aber wo? Mein Blick sucht das Gras links und rechts neben dem schmalen Pfad ab. Nichts. Dann wieder das Klappern. Lauter, näher.  Jetzt sehe ich sie: Eine Heuschrecke! Das klappernde Geräusch entsteht durch den Flügelschlag. Wieder benötige ich einige Minuten bis sich mein Herzschlag beruhigt hat. Warum in aller Welt tue ich mir das an? Wieso bin ich nicht in meinem schnuckeligen Zimmer in Val Marie geblieben? Was, wenn mich eine Schlange beißt? Ich meine Brille verliere? Oder meinen Autoschlüssel? Und die Büffel habe ich ganz vergessen! Wilde Büffel leben hier, die vielen Fladen zeugen von ihrer Anwesenheit. Aber weit und breit ist keiner dieser zottigen Tiere auszumachen.
Der 70-Mile-Butte – noch ist der Trail einfach auszumachen 

Ich bleibe stehen und hole tief Luft. Ich lasse mich völlig von meinen Gedanken bestimmen. So kann das nicht weitergehen. Hallo! Schau doch mal um dich! Siehst du diese wunderschönen Hügel? Das Präriegras? Diese unglaubliche Weite? Diese Einsamkeit? Diese wilde Natur?

Meine Furcht weicht der Erkenntnis. Hier bin ich. Ich habe das alles für mich ganz alleine! Was soll mir schon passieren? Eine Klapperschlange am Wegesrand? Ja und? Deshalb trage ich doch die Gaitors!

Ich staune über mich selber. Die Wanderung auf den einsamen Pfaden des 70-Mile-Butte fängt an, mir Spaß zu machen. Ich finde es genial. Ich alleine hier draußen. Unter Klapperschlangen und wilden Heuschrecken. Meine Güte, ich wäre schön blöd gewesen, wenn ich in Val Marie geblieben wäre.

Noch rund zwei Stunden bis Sonnenuntergang. Ich stehe am Eagle Butte und blicke in diese unendliche Weite. Das Gefühl lässt sich nur schwer beschreiben. Pures Glück. Zufriedenheit. Ein sich bewusst werden des Seins. Wachheit der Sinne. Ein perfekter Augenblick. Der nur mir gehört. Den ich mit niemandem teilen darf oder muss. Den ich nur deshalb so intensiv erlebe, weil ich alleine bin.

Noch immer von diesem Hochgefühl berauscht mache ich mich auf den Rückweg. Der Trail ist gut auszumachen, ein schmaler Trampelpfad zwischen den hohen Präriegräsern. Plötzlich stehe ich vor einem Weidezaun und der Erkenntnis, dass ich dem falschen Trail gefolgt bin. Ich habe keine Karte, sehe keine Trailmarkierungen. Ich habe weder Karte noch GPS zur Hand und keinen Schimmer, wo genau ich mich befinde.
 Noch rund eine Stunde bis Sonnenuntergang. Ich gehe den Weg zurück, den ich gekommen bin. Irgendwann muss ich ja von dem 70-Mile-Butte abgekommen sein. Aber wo? Egal wohin ich sehe, die Hügel und Gräser, alle sehen sie gleich aus.

Schweiß lässt sich leichter von der Stirn wischen, als Gedanken aus dem Kopf.

Ich sehe bereits die Nacht wie eine schwarze Welle über mich hereinrollen, 1000 Augen die mich beobachten, Geräusche, die mich an den Rand des Wahnsinns treiben.

Dann sehe ich es: Dort drüben, auf der anderen Seite des Hügels. Eine Boje in einem Meer aus Präriegras, das kleine bunte Fähnchen, das meine Rettung verspricht!

Bevor ich den markierten Trail erreiche stolpere ich über die weissgebleichten Knochen eines Tieres. Eine Kuh oder vielleicht ein Büffel, der hier verendet ist.

Ich erreiche den Trailhead, streife die Gaitors von meinen Beinen und werfe den schweren Fotorucksack von den Schultern.

Abenteuer erlebt eben nur der, der sich auf den Weg macht.

 

 

Zu Fuß ins Glück auf neuen Wegen

Kurzes Update: Zurück von der Wanderpressereise im Schwarzwald zum Thema: Zu Fuß ins Glück auf neuen Wegen. Wir haben den Wiesensteig und den Renchtalsteig erkundet. Unsere Meinung: Es sind Wege, die man erwandert haben muss! Fotos sind auf flickr zu sehen.

Update: Am Freitag, 15. Juli ist der Artikel im Schwarzwälder Boten erschienen. Hier gehts zum Bericht.

Mountain Madness

Wenn ich am 5. September um 14.50 Uhr die Moräne des Eigergletscher erreiche, ist es fast geschafft. Dann habe ich mit 2.205 Metern den höchsten Punkt beim Jungfrau-Marathon erreicht. Jetzt sind es es nur noch 1000 Meter bis ins Ziel! Aus Erfahrung weiß ich, dass der letzte Kilometer einer der schwersten ist. So nah am Ziel und doch kostet es noch einmal alles. Wenn ich auf der Kleinen Scheidegg durch das Ziel laufe, stecken 42.195 Kilometer und 1800 Höhenmeter in meinen Beinen. Von Interlaken über Lauterbrunnen, Wengen, Mettlenalp, Wixi, Eigergletscher bis zur Kleinen Scheidegg. Ich trage die Startnummer 3571 und bin fest entschlossen, sie bis ins Ziel zu tragen, das innerhalb 6 Stunden 30 Minuten erreicht sein muss. Schafft man das nicht, wird man disqualifiziert und  nicht gewertet.

Für diesen Lauf habe ich in den vergangenen Monaten trainiert. Neben normalen Laufeinheiten liegen Bergläufe von 24-27 Kilometer auf den 1.165 Meter hohen Hochblauen hinter mir. Gegen den Jungfrau Marathon sind das alles Spaziergänge. Das habe ich gestern festgestellt, als ich die Strecke von Lauterbrunnen auf die Kleine Scheidegg in zügigem Tempo wanderte. Ab Lauterbrunnen geht es in engen Serpentinen sehr steil nach Wengen hinauf. Beim Marathon stecken einem bereits 25 Kilometer in den Beinen. Ab der Skistation Wixi bis zur Moräne wird  es unglaublich steil. Ist die Moräne erreicht, dann weiß ich: Ich habe es geschafft! Das Ziel ist in greifbarer Nähe.

Viele halten mich wahrscheinlich für verrückt, einen Marathon zu laufen. Für viele sind 42,195 km Laufen kaum vorstellbar. Ein Marathon in den Bergen bedeutet nochmals eine ganz andere Anforderung als eine ebene Strecke.

Der Jungfrau-Marathon gilt als Europas schönster, aber auch schwerster Marathon.

Vor einigen Jahren habe ich in einem Schaufenster in Lauterbrunnen Fotos vom Jungfrau-Marathon gesehen. Daneben hing ein Finisher-Shirt. Es leuchtete mir in kraftvollem rot entgegen und ich dachte „Wow, eines Tages möchte ich auch so ein T-Shirt haben.“ Solche Shirts gibt es nicht zu kaufen. Die muss man sich erlaufen. Und jetzt, einige Jahre später, habe ich die Möglichkeit. Werde ich es schaffen? Ich weiß es nicht. Bei einem Marathon kann vieles schief gehen und es kommt auf die Tagesform an. Ich habe mir ein Mantra ausgewählt, ein Motto. Das hat mich auf meinen Läufen auf den Hochblauen begleitet und motiviert. Es steht im Philipper Brief, Kapitel 3 Vers 13: „Eines aber ist gewiss: Ich vergesse alles, was hinter mir liegt und konzentriere mich nur noch auf das vor mir liegende Ziel. Mit aller Kraft laufe ich darauf zu!“

Alles beginnt mit dem ersten Schritt. Beim Jungfrau Marathon ist das nicht anders. Jedes Ziel erreicht man in kleinen Schritten. Wichtig ist, im Schritt zu bleiben, nicht stoppen, nicht auf halber Strecke stehen bleiben, sondern weitergehen. Immer das Ziel vor Augen haben. Dann ist alles möglich.

Die neue Wanderlust


So so, die Partygeneration entdeckt das Wandern. Das hat zumindest die Basler Zeitung beobachtet. Mal davon abgesehen, dass der Bericht schreckliche Klischees enthält ist er recht interessant. Stephan Baldesberger von Transa erklärt, dass Wandern heute durchaus zum kreativen Lifestyle der Partygeneration gehört. Gesucht wird eher das individuelle Wandererlebnis und nicht das Wandern in Gruppen, so wie man es von der älteren Generation her kennt.

Was Wandern mit alpinen Buddhismus zu tun hat und warum man beim Wandern Psychodramen bestehen muss, erfährt man in einem Interview mit Thomas Widmer, Wanderkolumnist.

Nicht zum Wandern, aber zum Klettern fahre ich morgen ins Kleinwalsertal. Bin schon sehr gespannt, da ich noch nie dort in der Gegend war. Die Reportage ist demnächst in den Stuttgarter Nachrichten zu Lesen.

Ein neues Wanderthema für Outdoor Magazin ist ebenfalls in Planung. Für eine Lokalzeitung recherchiere ich einen alten Wanderweg, außerdem stehen Reportagen für Zeit online und Baden-Württemberg erleben an. Näheres darüber  demnächst auf meinem Blog.

Das Foto ist während der Murgleiter-Recherche auf den Hohmisswiesen entstanden. Dort stehen einige der für diese Gegend um Gernsbach/Forbach typischen Tiroler Heuhütten.

Seeblick


Geschafft! 70 Kilometer, 2200 Höhenmeter und drei Wandertage auf der Murgleiter liegen hinter uns. Die Murgleiter habe ich für eine Reportage für das Outdoor Magazin erwandert.
Die Murgleiter eignet sich für alle, die anspruchsvolle Wanderungen mögen. Dabei hat uns die 3. Etappe von Schönmünzach bis nach Baiersbronn am besten gefallen. Gehzeit für die 25 Kilometer: rund acht Stunden. Der Anstieg vom Huzenbacher See auf die Höhe auf steilem Felspfad sowie die Durchquerung des Hochmoores waren zwei der Höhepunkte, erstklassige Aussichten mit eingeschlossen. Das Foto zeigt den Blick auf den Huzenbacher See vom Seeblick in 960 Metern Höhe in die Tiefe.
Für alle Ultraläufer: Die Murgleiter kann man auch erlaufen: Am 5. September beim Ultralauf Murgleiter. Geschätzte Laufzeit: 12 Stunden.