Orte, die man besucht haben muss, Teil 2


Hier sehen wir, ja wie soll ich sagen, die Absprungrampe in den Himmel. Näher kann man dem Himmel, zumindest von der Erde aus, nicht kommen. Wer dort oben steht, befindet sich auf dem höchsten Berg der Welt – dem Mauna Kea. Wie was? Höchster Berg, das ist doch der Mount Everest. Gemessen an seinen 8.848 Metern über dem Meeresspiegel ist das auch richtig. Doch messen wir den Mauna Kea von Fuß bis zum Gipfel, dann kommen wir auf ca. 10.205 Meter. Denn der Mauna Kea ist vom Meeresboden aus gewachsen – wovon 4.214 Meter davon aus dem Wasser ragen. Der Mauna Kea ist ein Schildvulkan auf Hawaii und da er meist eine schneebedeckte Kappe trägt bedeutet sein Name auf hawaiianisch „Weißer Berg“. Somit darf ich also stolz von mir behaupten, auf dem höchsten Berg der Erde gestanden zu sein haben. Zweimal sogar. Dass beide Male in einem Desaster endeten, ist eine andere Geschichte (auf die ich später zurückkomme). Im Gegensatz zum Mauna Loa ist der Mauna Kea derzeit nicht aktiv. Obwohl die letzten Ausbrüche vor wahrscheinlich rund 6.000 Jahren stattgefunden haben, bedeutet das nicht, dass der Vulkan erloschen ist, sondern eben einen etwas längeren Dornröschenschlaf hält. Nun aber zur abenteuerlichen Geschichte meiner Mauna Kea Besteigung.Im eigentlichen Sinne war es keine Besteigung, sondern eine Befahrung. Und leider nicht mit dem Mountainbike, sondern ganz profan mit einem Auto. Mein erster Versuch, im Jahr 1994, ist kläglich gescheitert. Dem Auto ging im wahrsten Sinne des Wortes die Luft aus. Nicht aus den Rädern, sondern der Motor streikte in der zu dünnen Luft. Es half alles nichts – ich konnte das Gaspedal durchtreten wie ich wollte, das Auto schlich im Schneckentempo voran, bis es dann nicht mehr konnte und einfach stehenblieb. Merke: Mit herkömmlichen Mietwagen ist es nicht nur verboten auf den Mauna Kea zu fahren, es ist schlichtweg unmöglich. Mein zweiter Versuch fand zwei Jahre später, im Jahr 1996 statt. Ein Freund von mir lieh sich einen Jeep aus und ab ging’s. Gegen 2 Uhr morgens starteten wir unsere Auffahrt. Wohlgemerkt von Meereshöhe  aus. Innerhalb weniger Stunden sind wir von 0 auf 4200 Meter gefahren. Dass man sich beim Mauna Kea Visitor Center auf 2800 Meter erst einmal akklimatisieren soll, bevor man seinen Weg aufwärts fortsetzt, habe ich damals (trotz riesiger Warnschilder) nicht so ganz ernst genommen. Oben angekommen war ich hin und weg von dem überwältigenden Sternenhimmel. Und kalt war es! Stellt euch vor, man hätte euch von Waikiki Beach direkt in die Arktis gebeamt – so ungefähr waren die Temperaturunterschiede von Kailua-Kona auf Meereshöhe und dem Gipfel des Mauna Kea. Kurz nachdem die Sonne aufgegangen war, bemerkte ich eine Veränderung. Mir wurde furchtbar schlecht und in meinem Kopf begann es zu hämmern, ja ich meinte, mein Schädel würde platzen. Was mir damals nicht bewusst war: Ich litt an der Höhenkrankheit. Es war so schlimm, ich dachte, ich müsse sterben. An die Rückfahrt kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur, dass ich den ganzen Tag in einem Appartement in Hilo lag und es mir schrecklich elend ging.

Deshalb sollte es bei meiner zweiten Exkursion ganz anders werden. Das war im Jahr 2004. Diesmal wollte ich den Gipfel mit eigener Muskelkraft erreichen. Doch aus der Mountainbike-Tour wurde nichts, da sich mein Guide schwer verletzt hatte und die Tour abgesagt werden musste. Also ging es erneut mit einem Auto hoch (Jeep mit Allradantrieb). Ich hatte mich bestens auf die Tour vorbereitet – viel getrunken, Aspirin genommen und wir haben uns im Vistor Center akklimatisiert. Nach einer Besichtigung der Keck-Observatorien, entschloss ich mich, nun auch wirklich den Gipfel des Mauna Kea zu erstürmen. Als Beweis wollte ich die Geologische Landmarke, die sich auf 13796 feet befindet, fotografieren. Die so genannte US Geological Survey Bench Mark habe ich tatsächlich fotografiert (allerdings sind diese Fotos bei einem Festplattencrash – verursacht durch eine Mit-Kommilitonin an der University of the Nations, die mir dummerweise ihren Tee über mein Laptop verschüttet hat – schwarzer Bildschirm, langer Piep, aus, Ende) verloren gegangen. Die Festplatte konnte später reanimiert werden, irgendwo sind vielleicht auch noch die Fotos zu finden.

Nun, also befinde ich mich auf dem Weg zur Bench Mark und torkle wie ein Betrunkener den Weg aufwärts. Weit ist der Weg nicht, doch jeder Schritt eine gewaltige Anstrengung. Atmen erhielt eine neue Dimension – Luft war ja nur kärglich vorhanden. Ich habe sie regelrecht  in mich hineinpressen müssen. Rund 30 Höhenmeter waren zu bewältigen, sie kamen mir vor wie 3000. Ich glaube diese paar Meter zum Bench Mark waren anstrengender als es der Swiss Alpine K 78 im Juli werden wird.  Mir war schwindlig, ich hatte erneut diese hämmernden Kopfschmerzen und fühlte mich leicht orientierungslos. So muss es sich anfühlen, wenn man sturzbesoffen ist. Dennoch, mein eiserner Wille trieb mich vorwärts, ich fotografierte die Benchmark, stolperte zurück zum Auto und dachte, ich müsse sterben. Aber seinen wir mal ehrlich – es gibt schlimmere Orte, um seine letzten Stunden zu verbringen. Doch ich war nicht böse darüber, dass ich zum zweiten Mal lebend vom Berg kam.

Ein Besuch ist der Mauna Kea allemal wert und ja, ich würde auch ein drittes Mal den Aufstieg wagen. Denn wo sonst kann man dem Himmel so nah sein?

Das geht übrigens auch von zu Hause aus – hier der Link zu den Webcams auf dem Mauna Kea. Weitere Infos zu Wetter und Straßenkonditionen hier.

3 Gedanken zu „Orte, die man besucht haben muss, Teil 2“

  1. liebe Birgit,
    du hast das irgendwie raus, wie man am schnellst möglichen zu Migräne kommt. Aber ich kann dir sagen: mit Hawaii und seinen Vulkanen habe auch ich so meine Enttäuschung erlebt. Es war Jahreswechsel 1993/1994 und wir hatten für die Inseltour auf Big Island Hawaii keinen Jeep. Daher war auf der Südostroute auch bereits Schluss mit der Weiterfahrt, als die Straße urplötzlich von der Lava überströmt war – also alles wieder zurück und anders herum auf den Vulkan gefahren. Wir haben zwar mit dem Auto den Gipfel erreicht und konnten bei Tag in den Krater blicken. Aber außer etwas Rauch war nichts zu sehen. Erst zu Hause bei einem Telefonat mit einem befreundeten Geologen, der mal eine Zeit lang am Vulkan auf Hawaii gearbeitet hat, erfuhren wir, dass der Vulkan zur Zeit unseres Besuchs aktiv gewesen sei und wir nur irgendwie (mit Allradantrieb oder zu Fuß) auf die andere Seite gelangen hätten müssen, nicht auf den Gipfel. Dort hätte es kräftig gespuckt, und wir hätten die tollsten Ausbrüche und nächtlich glühenden Lavaströme erleben und fotografieren können. Da war es bereits zu spät. Seither waren wir nicht mehr dort, wollen unsere Reise aber unbedingt irgendwann wiederholen.
    Dir gute Besserung und frohes Reisen weiterhin – fürs (gemeinsame) Abtauchen in die Höhlen der Schwäbischen Alb aber lass bitte deine Migräne zu Hause…
    Gruß Reinhold

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