Mehr Urwald im Schwarzwald!

Ich wünsche mir mehr wilde Wälder im Schwarzwald! Gebiete, in denen der Wald sich selbst überlassen ist, in denen die Natur schalten und walten kann, wie es ihr gefällt! Denn es sind die wilden Wälder, in denen wir aufatmen, in denen wir die ursprüngliche Natur spüren, die uns auf heilsame Weise erdet. In dem folgenden Beitrag beschreibe ich, was einen wilden Wald ausmacht und warum ich beim Lesen von Peter Wohllebens Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ ein Aha-Erlebnis hatte.

Am Samstag bin ich auf dem Pfad vom Weissenbachsattel bis zum Ledertschobenstein und weiter bis zum Blößling gewandert. Für mich einer der schönsten Wanderpfade im südlichen Schwarzwald. Nicht unbedingt der Aussicht wegen, auch nicht wegen der schmalen Pfade. Es ist vielmehr die Natur, die mich begeistert. Beim Wandern erlebte ich eine Wildheit, die ich oft vermisse, wenn ich im Schwarzwald unterwegs bin.

Offene Waldflächen erlauben herrliche Fernblicke
Offene Waldflächen erlauben herrliche Fernblicke

Statt Fichtenmonokultur erlebte ich eine große Artenvielfalt. Überall alte, knorrige Tannen, mächtige Urwaldriesen, Buchen, freie Flächen mit Heidelbeersträuchern.

Schwarzwald-Urwald mit alten Tannenbäumen
Schwarzwald-Urwald mit alten Tannenbäumen

Es gibt viel Totholz, auf dem bereits neue Bäumchen wachsen und überall wuseln Ameisen geschäftig über den Waldboden. Zahlreiche Ameisenhaufen, viele davon an Totholzsstämmen, bevölkern den Wald. Weil ich in Luna-Sandalen wanderte, blieb es nicht bei einem einmaligen Zwicken einer Ameise – und ja, es war ziemlich unangenehm!

Die Waldameisen lieben lichte Laub- und Nadelwälder
Die Waldameisen lieben lichte Laub- und Nadelwälder

Auf diesem Pfad sind mir bei einer anderen Wanderung auch Gämsen begegnet. Auch dieses Mal hörte ich es im Wald häufig rascheln, doch wir bekamen keine zu Gesicht.

Totholz - sozusagen ein 5-Sterne-Resort für Waldameisen
Totholz – sozusagen ein 5-Sterne-Resort für Waldameisen

Totholz gehört in den Wald. Ohne Totholz könnten viele Insekten und Käfer nicht überleben. Das gesamte ökologische Gleichgewicht des Waldes würde kippen! In Deutschlands Wäldern sind rund ein Viertel der Käferarten direkt oder indirekt auf Holz angewiesen. Davon sind mehr als 60 Prozent als gefährdet eingestuft, wie es in dem interessanten Artikel „Totholz – Lebensraum für Insekten“ von Beat Wermelinger und Peter Duelli nachzulesen ist.

Gesunde Wälder übermitteln Wohlfühlbotschaften, sagt der Autor Peter Wohlleben
Gesunde Wälder übermitteln Wohlfühlbotschaften, sagt der Autor Peter Wohlleben

In den vergangenen Monaten wurde sehr viel über das Buch „Das geheime Leben der Bäume“ von Peter Wohlleben berichtet. Da ich mich derzeit beruflich mit dem Thema beschäftige und Förster auf das Buch angesprochen, entsetzt die Augen verdrehte, stand fest: dieses Buch muss ich lesen.

Absolut lesenswert!
Absolut lesenswert!

Titel und Titelbild mutet – ähnlich wie auch bei meinem Buch „Kraftorte im Schwarzwald“ recht esoterisch an. Wer es kauft, um auf übersinnliche Art mit Bäumen in Verbindung zu treten, wird das Buch enttäuscht zur Seite legen. Vielmehr ist es dem Autor und Förster Peter Wohlleben gelungen, ein derart komplexes, wissenschaftliches Thema auf faszinierende Weise mit Geschichten und Anekdoten zu erzählen, dass man den Wald nie wieder als eine bloße Ansammlung von Bäumen wahrnemen wird!

Peter Wohlleben: Ich bin überzeugt, dass wir instinktiv die Gesundheit der Wälder erfassen können

Der Untertitel „Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt“ trifft es auf den Punkt. Der Wald ist viel  mehr als nur Wirtschaftsfaktor und Naherholungsraum. Das hat auch die Tourismusbranche verstanden und ist dabei, den  Wald neu zu entdecken. Denn da ist viel mehr Potential vorhanden, als den Wald einfach nur mit Wegen auszuschildern, die vornehmlich auf „Steig“ enden, und hier und da Ruhebänke und Himmelsliegen aufzustellen. Es geht vielmehr darum, die „Seele“ des Waldes und seine Bedeutung für unser Wohlbefinden zu entdecken.

In Japan wurde dies bereits in den 1980er Jahren erkannt. „Shinrin-yoku“ bedeutet soviel wie „Im Wald baden“ oder „Die Atmosphäre des Waldes in sich aufnehmen“. In Studien wird dem Wald gesundheitsfördernde Aspekte zugeschrieben. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, sondern vielmehr ein Erlebnis schildern, das diese Thesen belegt.

Hellhörig wurde ich, als ich folgenden Abschnitt aus „Das geheime Leben der Bäume“ las:

„Spaziergänger, die eines der alten Laubwaldreservate meines Reviers besuchen, berichteten immer wieder, dass ihnen das Herz aufgeht und sie sich regelrecht zu Hause fühlen. Wandern sie stattdessen durch Nadelwälder, die in Mitteleuropa ja meisst gepflanzt wurden und damit anfällige Kunstwesen sind, kommen solche Gefühle nicht auf.“ (Peter Wohlleben, Das geheime Leben der Bäume, Ludwig Verlag München, Seite 200)

Es war diese Stelle im Buch, bei der ich ein Aha-Erlebnis hatte!

Weiter schreibt Wohlleben:

„Möglicherweise liegt es daran, dass in den Buchenwäldern … mehr Wohlfühlbotschaften zwischen den Bäumen ausgetauscht werden, die über die Nase auch unser Gehirn erreichen. Ich bin überzeugt, dass wir instinktiv die Gesundheit der Wälder erfassen können. Probieren Sie’s einfach einmal aus!“

Ich fühlte mich wohl, weil sich der Wald wohlfühlt

Wow! Mir fiel zum ersten Mal bewusst auf, dass ich mich auf dem Wanderpfad zwischen dem Weißenbachsattel und Ledertschobenstein so richtig wohl gefühlt habe. Ich staunte über die alten Baumriesen, das Wuseln der Ameisen, die Heidelbeersträucher, Walderdbeeren, die vielen Tothölzer. Ich fühlte mich lebendig! Weil der Wald lebendig war! Tatsächlich empfinde ich nicht immer gleich, wenn ich im Wald unterwegs bin. Doch das schrieb ich bisher mir und meinem persönlichen Befinden zu und nicht der Natur. Sollte Peter Wohlleben mit seiner Annahme recht haben, dass wir das instinktiv spüren können, wie gesund die Wälder sind, in denen wir uns bewegen? Ich will seinem Aufruf folgen und bei meinen nächsten Waldbesuchen und Wanderungen verstärkt darauf achten, wie ich mich fühle, wenn ich durch den Wald gehe.

Das Buch empfehle ich jedem, der sich mehr mit dem Thema Wald und Bäume beschäftigen möchte und allen, die gerne draußen in der Natur unterwegs sind.

Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume. Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt. Gebundene Ausgabe, 2015. Ludwig Verlag München. ISBN 978-3-453-28067-0, 19,99 Euro Bestellen bei Amazon

Ebenfalls passend zum Thema ist das Buch „Walden, ein Leben in den Wäldern“ von Henry David Thoreau. Das Experiment des amerikanischen Schriftstellers Thoreau, der 1845 in die Wälder von Neuengland zieht, um dort ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen, ist heute so aktuell wie damals.

Henry David Thorau: Walden. Ein Leben mit der Natur. Taschenbuch, Ausgabe 1999. dtv Verlag, ISBN 3-423-08471-5, 9,90 Euro Bestellen bei Amazon

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