Die vergessene Kunst der Stille

Stille ist in unserer heutigen Zeit nicht sehr populär. Stille, das klingt irgendwie altbacken, überholt, ja befremdlich. Stille hat keinen Raum mehr. Stille passiert nicht einfach. Zur Stille muss ich mich ganz bewusst entscheiden. Überlege einmal, wann du einen Moment der Stille hattest. Als ich an Karfreitag nachts in die “Nacht der Kirche” ging, erlebte ich Augenblicke der Stille. Ich habe mich darauf einlassen können, weil mir die nur mit Kerzen beleuchtete Kirche einen guten Rahmen dazu gegeben hat. Diese Momente taten mir gut und ich stellte fest, wie wenig Raum Stille in meinem Leben hat.
2010 wurde zum Jahr der Stille ausgerufen. Über 50 Partner – Kirchen, Verbände, Organisationen, Verlage unterschiedlicher Konfessionen haben sich zusammengetan, um das Thema Stille in den Mittelpunkt zu rücken. Die Initiative soll “Menschen die Gelegenheit bieten, Stille als wichtigen Aspekt des Alltags wieder neu zu entdecken und bewusst in ihren Tagesrhythmus einzuplanen”, so beschreibt es die Pressemitteilung zum Jahr der Stille 2010. Das Jahr der Stille soll dabei helfen, den Lebensrhythmus, den Gott in uns gelegt hat, zu entdecken. Es geht darum, achtsam zu werden für die Notwendigkeit der Stille, neue Formen zu entdecken und sie bewusst im Rhythmus des Alltags zu leben. Ziel des Projekts ist, persönlich das Leben bewusst wieder auf Gott auszurichten und durch die Stille und Gottes Wort körperlich und seelisch aufzutanken.

Um Stille zu erleben, muss ich bewusst offline gehen. Nicht nur im Kontext von Internet, iphone, Facebook und Twitter. Es bedeutet, mich ganz bewusst zurückzuziehen und zur Ruhe zu kommen. Das ist gar nicht einfach. Ich bin es nicht gewohnt, Stille auszuhalten. Ich bin es nicht gewohnt, ruhig zu sitzen. Mein ganzes Leben ist von Aktivität bestimmt. Wenn ich meinen Körper zur Ruhe bringen will, reagiert er allergisch darauf. Mir fallen alle möglichen Dinge ein, die zu tun sind, Gedanken rasen durch meinen Kopf, es kribbelt in den Fingern, in den Beinen. Stille fühlt sich eher nach Bestrafung an. Mit der Stille ist es so wie mit dem Laufen. Du weißt, dass Bewegung deinem Körper gut tut. Aber es läuft sich eben nicht von alleine. Du musst dich dazu entscheiden, dich aufmachen, loslaufen. Es kostet Überwindung und ja, es ist anstrengend. Bis das Laufen zur Gewohnheit wird und du locker fünf, zehn oder sogar 21 Kilometer laufen kannst, wirst du etliche Male frustriert sein, aufgeben und an dir zweifeln. Doch wenn du trainierst und nicht aufgibst, dann kannst du eines Tages sogar einen Marathon laufen. Ich habe es selbst erlebt.
Mit der Stille verhält es sich genauso. Ich habe mit fünf Minuten angefangen. Fünf Minuten, in denen ich mich zurückziehe. Am besten suchst du dir einen Ort, an dem du dich wohlfühlst. Im Garten, auf dem Balkon, auf der Couch. Schließe deine Augen und versuche, loszulassen, an nichts zu denken. Das fällt am Anfang schwer. Aber halte durch! Versuche diese Übung jeden Tag zu machen. Wenn du merkst, dass du fünf Minuten still sein kannst, dann erhöhe die Zeit auf zehn Minuten. Heute habe ich 15 Minuten Stille genossen. Und zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, wirklich zur Ruhe zu kommen. Während dieser Zeit sind mir Gedanken gekommen. Das waren keine Gedanken, die mich von der Stille abhalten wollen, die mich erinnern, an das, was noch unerledigt ist. Vielmehr waren es Gedanken, die von ganz tief innen gekommen sind. Erkenntnisse, Einsichten, Offenbarungen. Anschließend habe ich mir die Zeit genommen, um diese Gedanken in mein Tagebuch zu schreiben. Sie haben mich ermutigt, weiterzumachen, mich auf die Stille einzulassen. Ich möchte mir Stille zum Ritual machen. “Ein Ritual ist in der Zeit das, was im Raum eine Wohnung ist” hat der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry gesagt. Mit dem Laufen habe ich bereits ein Ritual in mein Leben aufgenommen. Eine Handlung, gleich ablaufend, die mir zur lieben Gewohnheit geworden ist. Ohne Laufen kann ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen. Ich spreche hier nicht von “Runner’s High” oder einer Sucht. Ich bin nicht getrieben, ich muss nicht jeden Tag laufen, um mich gut zu fühlen. An vielen Tagen will ich überhaupt nicht laufen, weil ich nicht motiviert bin, weil das Wetter so schlecht ist und weil ich keine Lust dazu habe. Trotzdem kenne ich das Gefühl, das ich während und nach dem Laufen habe – ich fühle mich auf eine gewisse Weise unbeschwert und gelöst, freier und frischer im Kopf und auf eine gute Weise müde im Körper. Laufen tut mir gut. Weil ich weiß, dass mir auch Stille gut tut, will ich sie in mein Leben aufnehmen, ihr Raum geben. Ich lasse mich auf das Abenteuer Stille ein und bin gespannt, was ich in dem Jahr der Stille alles erleben werde.

Ein Gedanke zu „Die vergessene Kunst der Stille“

  1. „Quite now dear child; perhaps you might even hear the mice playing in the house!“ When we are still within then this can occur in the midest of a busy intersection or in a department store. While washing up, concentrate on the task at hand. Not just dry, wipe, pick up, dry, wipe etc but really „feel“ both physically and inwardly, what it is, that you are doing. When you feel the moment that you are „one“ in movement with the towel, the item you are drying and the stillness surrounding you then you have experienced a „True“ moment of stillness. It is breath takingly beautiful. It has nothing to do with what you are doing but more with where you mind is while doing.

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