Das düstere Geheimnis des Herrenwieser Sees

Ein Buch schreiben ist eine spannende und zeitaufwändige Sache. Ich verbrachte unzählige Stunden mit Recherchen, bin an viele Orte gereist, fotografierte, und führte Gespräche. Im Wintersturm stapfte ich auf Schneeschuhen durch Schnee und im Sommer erkundete ich den Nationalpark Schwarzwald. Langsam komme ich mit meiner Arbeit zum Abschluss. Text für Text, Kapitel für Kapitel, Bild für Bild reiht sich zusammen und ergibt ein Buch. Kraftorte im Schwarzwald heißt der Titel und erscheint im Herbst im Verlag Oertl&Spörer.

Buchvorschau Kraftorte Schwarzwald
Buchvorschau Kraftorte Schwarzwald

Bei meinen Recherchen bin ich auf viele faszinierende Geschichten gestoßen. Eine davon,  eine blutige Spukgeschichte, möchte ich euch heute erzählen. Mir stockte beim Lesen der Atem, es ist eine wirklich schaurige Geschichte. Gefunden habe ich sie im Badischen Sagenbuch von August Schnezler. Dort ist sie unter dem Titel „Nonnensee“ veröffentlicht. Der Text stammt von Alois Wilhelm Schreiber, geboren am 12. Oktober 1763 in Kappel. Schreiber studierte in Freiburg und arbeitete in Baden-Baden als Lehrer. Im Jahr 1800 wurde er Professor für klassische Literatur, 1813 erfolgte die Nennung zum Hofrat und Hofhistographen. Im Buch „Badische Biographien“ heißt es, dass er in Karlsruhe u.a. vielbesuchte Vorlesungen über Geschichte hielt und einen bedeutenden Einfluss auf das geistige Leben der gebildeten Einwohner nahm. Weiter steht in seiner Biographie: „Schreiber war ein Schriftsteller von erstaunlicher Produktivität und als solcher auf den mannigfaltigen Gebieten der historischen und belletristischen Literatur tätig.“ Schreiber war einer der ersten Reiseschriftsteller. Zu seinen Werken zählt ein in mehreren Auflagen erschienenes „Handbuch für Reisende am Rhein“.  Das Werk hat guten Anklang gefunden, das zu einer Zeit als es noch keinen Baedeker-Reiseführer gab. Sehr interessant fand ich folgenden Hinweis: „Der demselben (Handbuch für Reisende am Rhein) beigegebene Anhang rheinischer Volkssagen in schlichter Prosa verleiht dem Buche einen bleibenden Wert.“

Aus Badische Biographien herausgegeben von Dr. Friedrich von Weech, Verlagsbuchhandlung von Fr. Bassermann 1875

Mich interessieren und faszinieren Geschichten. Sie erzählen von vergangenen Zeiten, die diesen Ort geprägt  haben. Warum heißt eine Höhle in der Nähe der Wolfsschlucht im südlichen Schwarzwald „Bruders Loch“? Ich ging der Geschichte nach.  Und vielen anderen auch. Daraus entstand  mein erstes E-Book „Sagenhafte Geschichten und Legenden aus dem Kandertal“.

Cover-final

Und so ist mein neues Werk, Kraftorte im Schwarzwald mehr als nur ein Reiseführer. Es nimmt die Leser auch mit in die Vergangenheit eines Ortes und erzählt die Geschichte. Wie diese vom Herrenwieser See. Ich fand sie im Badischen Sagenbuch von August Schnezler unter dem Titel „Nonnensee“. „Einige Stunden hinter der Herrenwiese liegt der Nonnensee, der machmal mit dem Mummelsee verwechselt wird.“  Tatsächlich wird der See manchmal kleiner Mummelsee genannt. Jeder See im Schwarzwald hat zahlreiche Sagengeschichten. Ob es sich bei dieser Geschichte um eine Sage handelt, mag ich bezweifeln. Sie liest sich ziemlich konstruiert und ich denke, dass sie aus der Feder von Alois Wilhelm Schreiber stammt. Ob Sage oder Märchen, sie ist ziemlich düster und faszinierend. Viel Spaß beim Lesen und Gruseln. Ich gebe sie hier gekürzt und in eigenen Worten wieder.

Der Wilde See im Nationalpark in der Dämmerung
Der Wilde See im Nationalpark in der Dämmerung

Die Sage erzählt von zwei Burgen, eine auf dem Schwarzkopf und die andere auf dem Seekopf. Auf der Seeburg lebten zwölf Brüder, allesamt Raubritter mit ihrer bildhübschen Schwester. Auf der Schwarzburg wohnten zwölf schöne Schwestern, mit ihrem Bruder. Schon langte hegten die Seeburger Raubritter den Plan die Schwestern aus der Schwarzenburg zu enführen. Der ehrbahre Ritter der Schwarzburg war unsterblich in die Seeburger Jungfrau verliebt, doch deren böse Brüder wollten sie ihm nicht zur Frau geben. Also schmiedete er einen Plan, um sie heimlich zusammen mit seinen Schwestern aus der zu Burg holen. Und so kam es, dass beide Parteien in derselben Nacht auf den Weg machten, um ihre Pläne auszuführen. Mitten im Murgtal stießen sie aufeinander. Der edle Ritter sich und seine Schwestern, doch er wurde überwältigt in die feindliche Raubritterburg geschleppt. Dort stach jeder der zwölf Brüder seinen Dolch in die Brust des Ritters. Danach töteten sie eiskalt ihre eigene Schwester. Die geraubten Schwestern nahmen sich die Raubritter als Bräute. Doch in der Hochzeitsnacht rächten die Schwestern den Mord und töteten die zwölf Seeburger Ritter. Doch auf der Flucht wurden sie von den Knechten der Raubritter eingeholt und kaltblütig ermordet.

Bald darauf brach auf der Seeburg ein Feuer aus. Unter den einstürzenden Balken und Mauern will man zwölf Frauen gesehen haben, die in weißen Gewändern durch die Feuersbrunst schritten, jede von ihnen mit einem Kind auf dem Arm. Gemeinsam wandelten sie zum See und stürzten sich von der Karwand in die Tiefe. Dumpf brausten die Wasser auf und ab da ist der See schwarz wie Tinte geworden.

Immer freitags um Mitternacht sollen zwölf weiße Frauen aus dem Turm der Ruine Seeburg schreiten, in ihrer Mitte ein bleicher Mann, in dessen Brust zwölf Dolche stecken. Während sie durch den Schlosshof gehen, kommt ihnen aus der Hauptpforte ein Zug von zwölf schwarzen Männern entgegen, die brennende Fackeln halten, und in ihrer Mitte geht eine in weiße Schleier gekleidete Frau. In tiefer Stille schreiten sie aneinander vorbei und verschwinden gemeinsam in der Begräbniskapelle.

Weiter berichtet die Sage von einem Mann, der in der Nähe des Sees wohnte und Kruzifixe aus Holz schnitze. In der Nacht hörte er oft ein Stöhnen wie von Sterbenen, das mitten aus dem See zu kommen schien. Immer wenn er das Wehklagen hörte, ging er auf die Knie und betete für die Ruhe der ruhelosen Seelen in der Tiefe des Sees. Als seine Frau starb hörte er leise Musik aus der Sterbekammer. Leise öffnete er die Türe und erblickte dreizehn weiße Jungfrauen mit Lichtern in den Händen, die bei der Leiche wachten. Am folgenden Tag waren es 13 junge Männer, die bei der Toten Wache hielten.

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