CORD – Cappuccino in Heftform

CORD No.01. Da lag es. Einfach so. In meinem Briefkasten. Unaufgefordert und unerwartet. Als Aufforderung zum Lesen. Das habe ich getan. Was ich darüber denke? Lest weiter.

CORD kam vor einem Jahr, im November 2016 als WOLF heraus, als Pendant zum Frauenmagazin FLOW. Laut Pressemitteilung, das dem neuen CORD beilag, war WOLF mit 30.000 verkauften Exemplaren so erfolgreich, dass das Heft nun sechs Mal pro Jahr erscheint. Als CORD. Weil, so lese ich in der Pressemitteilung, die Männer das Konzept gut fanden, sie sich jedoch nicht mit dem Namen identifizieren konnten. FLOW rückwärts gelesen heißt WOLF. CORD soll es nun heißen. Weil Männer keine „gefährlichen, einsamen Wölfe sind.“ Hm. Wölfe leben doch in Rudeln, sind also alles andere als einsam. Und die Mär vom gefährlichen Wolf, die haben wir als Kinder geglaubt. 

Das V als neue WIR – Verbunden.Verstanden.Verdient.Vereinfacht.

CORD, so lese ich weiter, „ist ein nordischer Männername, alters-, zeitlos und zugleich prägnant und ungewöhnlich.“ Aha, ich sehe schon, in zwei, drei Jahren werden die Kitas mit kreischenden Cord‘s bevölkert sein. Allerdings hat meine Recherche nichts darüber ergeben, dass es sich bei CORD um einen nordischen Männernamen handeln soll.

Bei CORD muss ich in erster Linie an den Stoff denken. An meinen biedernen Musiklehrer, der Cord-Jacke trug mit Stoffpatches an den Ellenbogen. Und braune Cordhosen mit Bügelfalten. Wenn es einen Stoff gab, der für mich der Inbegriff von Altbacken ist, dann Cord. Als Kind steckte ich in einer Cord Schlaghose. War damals total modisch. Ich meine mich sogar daran zu erinnern, dass ich sie bei meiner Einschultung trug. Gelbes Shirt, braune Cordhose und orangefarbene Schultüte in der Hand. Angeblich feiert die Cordhose ihr großes Comeback. Und die CORD Pressemitteilung lässt verlauten, dass sich darin „augenzwinkernd eine gewisse nostalgische Sehnsucht spiegelt, die auch das Heft transportiert.“

Ohne Helm und ohne Gurt

So. Hier kommt CORD. „Ohne Helm und ohne Gurt“. Sorry, ich muss dabei einfach an den Frank Zander Song „Hier kommt Kurt“ denken. CORD kommt tatsächlich ohne Helm und ohne Gurt, aber als „Männermagazn fürs Wesentliche“ und mit einem Spruch von Alfred Adler, österreichischer Arzt, Psychotherapeut und Begründer der Individualpsychologie. „Die größte Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig wird.“

Ein Bulli, illegal auf der Straße geparkt

Vom WIR-Gefühl der Heft Themen ist auf dem Titel nichts zu sehen

Auf dem Cover sehen wir einen roten Bulli (echt jetzt? Hatten wir doch bereits auf WOLF – und mal ehrlich, Bulli ist Ende 2017 doch so was von OUT) an dessen Heck sich ein Skateborder krallt . Offensichtlich bewegt sich der Bulli nicht, es ist auch kein Fahrer hinterm Lenkrad zu sehen. Der Bulli, auch das fällt auf, hat kein Kennzeichen. Ist er illegal auf der Straße unterwegs? Die Szene wurde im Wald aufgenommen. Der ist ja ziemlich Hip zurzeit. Natur, Wald, stehen bei den Deutschen ganz hoch im Kurs wie der Werte Index 2018 unlängst ergab. Fragt sich nur, was der Typ auf dem Skateboard macht. (Ohne Helm übrigens!). Hat er es von seinem Sohn geborgt und wagt nun erste Versuche auf einer wenig befahreren Straße im Wald? Stützt er sich dabei an seinem nicht fahrtauglichen und illegal auf der Straße geparkten Bullis ab?

Das Titelbild wirft Fragen auf

Liebe Redaktion von CORD, ein Bulli ohne Kennzeichen, der einfach so auf der Straße im Wald parkt, dazu hinter einer Kurve, ist nicht nur gefährlich, es ist verboten! Soll das also die Aufforderung sein, hin und wieder verbotene Dinge zu tun? Das neue Titelbild wirft Fragen auf. Und damit geht der Aufruf an euch, liebe Leser und Leserinnen, eure Interpretation in den Kommentaren zu hinterlassen!

Fein: Tolle Illustrationen von Eliza Southwood

Inhaltlich hat sich wenig verändert. Es gibt viele großformatige Bilder mit meist englischen Sprüchen und ein Thema, mit dem sich die Ausgabe auseinander setzt. Nämlich das „WIR“-Gefühl. Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, nach Gemeinschaft, Freundschaft und Solidarität. Alles aufgelockert mit schönen Illustrationen, retrogestylte milchige Fotos, ein paar Texte zu den Themen Burnout, Kochen, Sex, Achtsamkein, Must-Haves, Medien und eine lange Reportage über den Meeresabenteurer Jacques Cousteau, die irgendwie nicht zum Heft passen will. Als „Lesergeschenk“ (Hallo, die Leser bezahlen dafür, also ist es kein Geschenk!) gibt es vier herausnehmbare Karten, gezeichnet vom kanadischen Künstler Jazzberry Blue, der Städte Dublin, Stockholm, Paris und New York.

Klasse: Die Long Read

Toller Lesestoff, fein verpackt: Die Geschichte von Takis Würger

Mein persönliches Highlight ist die Long Read, ein Heftchen im Heft zum Herausnehmen, diesmal mit einer preisgeskrönten Geschichte des Journalisten Takis Würger über einen alternen Boxer, der nochmals alles versucht, einen letzten Fight zu gewinnen.

Ansonsten lese ich nicht wirklich Bahnbrechendes oder Neues im Heft. Es geht um Podcasts, darum, wie es gelingt, die Kontrolle über das Smartphone zurückzuerlangen (Wir haben es in der Hand), alles unaufgeregte Texte, leicht zu verdauen.

Cord – wie Cappuccino im Lieblings-Café

Das neue CORD ist wie ein Cappuccino in seinem Lieblings-Café. Man weiß wie er schmeckt (lecker), unterhält sich zwanglos (netter Lesestoff) und freut sich auf den nächsten Besuch (Heft). Dafür gibt man gerne ein paar Euro aus.

Oder man trinkt zwei oder drei Cappuccino und liest das Heft im Café, wo es jemand anders gekauft und liegen gelassen hat, weil er sich durch den Artikel „Jeden Tag eine gute Tat (Random Acts of Kindness) inspirieren ließ.

Mein Experiment: Ich verschenke CORD für eine Notiz

Das bringt mich auf die Idee, es mit meinem Heft genauso zu tun. Das wurde mir schließlich auch geschenkt, von den Machern von CORD. Da wäre es ja wirklich eine feine Sache, das Heft irgendwo liegenzu lassen, damit es andere lesen können!
Ja, die Idee gefällt mir. Sehr sogar. Ich werde eine kleine Nachricht im Helft hinterlassen und darum bitten, auf diesem Blog in den Kommentaren eine kleine Notiz zu hinterlassen, wo das Heft gefunden wurde und wer es gelesen hat. Daraus könnte sich eine spannende Geschichte entwickeln.

Schließen möchte ich mit den Worten der Kolummne, die Michaelis Pantelouris geschrieben hat: „Profi ist man ja nicht, weil man der Beste ist, sondern weil man jeden Tag wieder etwas abliefert, das mindestens genausogut ist. So wie dieser Text, den ich langsam zu einem Ende bringen muss. Ich habe nur überhaupt keine Idee, wie er am besten aufhören könnte.“

Das neue Männermagazin CORD gibt es ab sofort für 8,50 Euro im Zeitschriftenhandel und Kiosk.

Ein Gedanke zu „CORD – Cappuccino in Heftform“

  1. Naja, die Frage ist doch, auf wen das zielt: Sollen es Frauen lesen? Männer? Kann sich ein Magazin allein aus einer – so unklaren – Zielgruppe definieren? Man(n) will wohl anders sein als die Hefte, die schon auf dem Markt sind – und die, von Nischen abgesehen, wahrscheinlich doch alle irgendwie von Klischees (Sixpack, Männer denken immer nur an das Eine) leben.

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